1934: Austrofaschismus unter der Lupe

Freitag jährte sich zum 80. Mal die Auflösung der Gemeindevertretung der Stadt Hallein (Tennengau) im „Austrofaschismus“. Der Historiker Emmerich Tàlos hält dazu am 20. Februar in Hallein einen Vortrag. Die Spaltung der Politik bei dem Thema ist noch immer vorhanden.

Am Freitag vor genau 80 Jahren, am 14. Februar 1934, wurde die Halleiner Gemeindevertretung von Austrofaschisten unter der autoritären Regierung des konservativ-katholischen Bundeskanzlers Engelbert Dollfuß zwangsweise aufgelöst. Diese Seite beschuldigte in ganz Österreich die Linksparteien, einen bewaffneten Umsturz zu planen. Auch der sozialdemokratische Halleiner Bürgermeister Anton Neumayr, Vizebürgermeister Wallner und weitere Vertreter der Stadtgemeinde und der Gewerkschaft wurden verhaftet und in das Landesgericht Salzburg überstellt.

Sozialdemokratischer Schutzbund Sozialdemokraten 1930er-Jahre SPÖ in Hallein

SPÖ Hallein

Vortrag am 20. Februar: Männer des sozialdemokratischen „Schutzbundes“ in Hallein, die ab 1934 nicht mehr politisch arbeiten durften - wie alle ihre „Genossen“ bundesweit.

Aus diesem Anlass hat die SPÖ Hallein den Wiener Historiker und Universitätsprofessor Emmerich Tálos, einen international bekannten Experten, für den 20. Februar nach Hallein zu einem Vortrag eingeladen.

Was geschah von 1934 bis 1938?

Die katholisch-konservativen Machthaber unter Bundeskanzler Engelbert Dollfuß ließen damals die linkgsgerichteten Parteien verbieten - einschließlich der Sozialdemokraten. Der austrofaschistischen „Heimwehr“ stand der sozialdemokratisch-marxistische „Schutzbund“ dennoch weiterhin als erbitterter Gegner gegenüber - nun aus dem Untergrund heraus. Das politische System Österreichs sei durch diese große Spaltung der Gesellschaft weiter geschwächt worden, was später Hitler den „Anschluss“ wesentlich erleichtert habe, so der Historiker Tàlos.

„Arbeitermörder“ und Hitlers erstes Opfer

Vereinfacht dargestellte Positionen der heutigen Koalitionsparteien: Die ÖVP betrachtet ihren Partei-Pionier Dollfuß als erstes Opfer Hitlers unter den Staatslenkern Europas, nachdem der Bundeskanzler als katholischer Gegner und Imitator Hitlers von österreichischen Nazis ermordet worden war. Und auch Österreichs Marxisten hätten viel zum Untergang der Ersten Republik beigetragen, so die ÖVP. Man verweist auch auf die Westmächte, die damals noch den „deutschen“ Emporkömmling aus Braunau am Inn, Linz, Wien und München hofierten und fast allem tatenlos zusahen, was Adolf Hitler in seinem „Dritten Reich“ seit 1933 trieb - auch mit seinen Gegnern im ersten Konzentrationslager in Dachau bei München. In Deutschland und Österreich war damals rasch allgemein bekannt geworden, was im Modellprojekt Dachau und an folgenden KZ-Standorten der Nazis vor sich ging - entgegen späterer Beteuerungen und Gedächtnislücken nach 1945. Im KZ Dachau sind nach 1938 dann besonders viele österreichische Priester und Politiker von ÖVP und SPÖ inhaftiert, gefoltert und ermordet worden. Kanzler Dollfuß habe lange Widerstand geleistet, heißt es bei der ÖVP zur Verteidigung des früheren Bundeskanzlers. Und durch den Mord der Nazis in Wien habe er sein Engagement sogar mit dem Leben bezahlt. Außerdem sei Österreich von Großbritannien, Frankreich und den USA gegen Hitler viel zu lange im Stich gelassen worden.

Faschismus „gemildert durch Schlamperei“

Dagegen sieht die österreichische Sozialdemokratie in Engelbert Dollfuß bis heute - nach den standrechtlichen Todesurteilen und Hinrichtungen von politischen Gegnern - einen skrupellosen Arbeitermörder, katholischen Diktator und Totengräber der österreichischen Demokratie, der Hitler strukturell den Weg geebnet habe - wenn auch unfreiwillig. Zudem hatte die austrofaschistische Regierung ein eigenes Konzentrations- bzw. Internierungslager einrichten lassen. Dessen Unterdrückungs- und Folterkapazität blieb allerdings - rein zahlenmäßig und methodisch - weit hinter deutschen Vorbildern zurück. Die Brutalität des Regimes hinterließ dennoch tiefe Spuren bzw. Wunden in sozialdemokratischen Kreisen bzw. Familien, die bis heute spürbar sind. Selbst beim früheren SPÖ-Bundeskanzler Bruno Kreisky gewannen viele den Eindruck, seine Ablehnung des „schwarzen“ Austrofaschismus sei mindestens gleich groß gewesen wie seine Gegnerschaft zu den Nazis.

Den austro-amerikanischen Philosophen, Juristen, Journalisten, Dollfuß- und Hitler-Gegner Leopold Kohr motivierte Dollfuß später zur Feststellung: „In Österreich war sogar der eigene Faschismus gemildert durch übliche Schlamperei“. Den gebürtigen Salzburger - der im Spanischen Bürgerkrieg als Reporter gearbeitet und George Orwell als Kollegen kennengelernt hatte - empörten Vorgänge im Austrofaschismus bis ins hohe Alter: „Sie haben sogar Jugendliche und Schwerverletzte hingerichtet.“

Diese ewige Spaltung der Österreicher - auch im Exil der USA und Kanadas - hat laut Kohr während des Zweites Weltkriegs verhindert, dass eine Exilregierung als österreichische Front gegen Hitler gebildet werden konnte - wie sie beispielsweise polnische Flüchtlinge für die Befreiung ihrer Heimat rasch einrichteten; auch via Großbritannien.

„Nur“ autoritär?

„Beim Austrofaschismus ging es um eine endgültige und dauerhafte Veränderung der politischen Strukturen” , schreibt der Historiker Emerich Tàlos. In den 1930er Jahren vollzogen sich in Österreich, wie in anderen europäischen Ländern, einschneidende politische Veränderungen. Sie kumulierten in der Etablierung des Austrofaschismus. Dieses autoritäre Herrschaftssystem der Christlichsozialen in Österreich wurde von Emmerich Tálos erstmals einer umfassenden wissenschaftlichen Untersuchung unterzogen.

Mussolini als Vorbild

Tálos bettet Österreichs damalige Entwicklung in den internationalen Faschisierungsprozess ein und begründet, warum die Bezeichnung „Austrofaschismus“ passe - und nicht etwa „Ständestaat“ oder „Imitationsfaschismus“. Die Anleihen von Bundeskanzler Dollfuß beim italienischen Faschismus, teils auch beim deutschen Nationalsozialismus sowie die eigenen Besonderheiten der Diktatur in Wien würden den Begriff „Austrofaschismus“ rechtfertigen, so der Historiker.

Termin

„Das austrofaschistische Herrschaftssystem. Österreich 1933-1938“ heißt der Vortrag von Emmerich Tàlos mit Diskussion: 20. Februar 2014, 16.00 Uhr, Arbeiterkammer Hallein.

Gerald Lehner, salzburg.ORF.at

Links: