Neues Buch über politische Erdbeben

Mit massiven Veränderungen der politischen Macht in vier Bundesländern befasst sich das neue Sachbuch „Erdbeben in der Provinz“ - geschrieben von dem Salzburger ORF-Redakteur Michael Mair. Er analysiert darin im Rückblick auch den Aufstieg und Fall der Salzburger SPÖ.

Buch "Erdbeben in der Provinz"

ORF

Cover des neuen Buches

Der Journalist und leidenschaftliche Beobachter des Zeitgeschehens beschreibt und analysiert die Umbrüche in der Steiermark, Oberösterreich, Kärnten und Salzburg. Mair war früher auch Universitätslektor, ist promovierter Kommunikationswissenschafter und hat dazu Politikwissenschaft studiert.

Gewaltige Veränderungen

Und das sind die Phänomene, die Mair untersucht: Rote Landeshauptleute in den schwarzen Kernländern Steiermark und Salzburg, erstmals eine schwarz-grüne Landesregierung in Oberösterreich, die vielschichtige Ära nach Jörg Haider in Kärnten.

Schließlich die politischen Abstürze Burgstallers und der Kärntner Blauen durch Finanzskandal und Milliardenverluste bei der Hypo Alpe Adria.

Michael Mair ORF Redakteur

Gerald Lehner

Alltag, und nach Feierabend hat er in den letzten Monaten sein erstes Buch geschrieben: Michael Mair einmal nicht als Moderator im TV-Studio oder Reporter vor der Kamera, sondern als Redakteur bzw. Chef vom Dienst im Newsroom für Radio und TV von ORF Salzburg

Propaganda & Realpolitik

Diesen Entwicklungen spürt das Sachbuch nach. Zu den Wurzeln des Spekulationsskandals und zum Sturz von Salzburgs erster roter Landeshauptfrau, sagt Autor Michael Mair: „Die SPÖ hatte den Kampf gegen die internationale Spekulation zu einem Hauptziel erklärt - allerdings nur in der Propaganda. In der Realität hatte das Land Salzburg auch unter sozialdemokratischer Führung Millionen in eben diese kaum regulierten Finanzmärkte gepumpt und diese auch noch mit Spielkapital beliefert.“

„Länder modernisieren, Bund nicht“

In der Diskussionsrunde gingen Teilnehmer auch der Frage nach, wie denn die politischen Änderungen zu erklären seien. Robert Kriechbaumer ist Historiker und Experte für Politik in Salzburg:

Cover des Buches " Erdbeben in der Provinz " von Michael Mair

Verlag Böhlau

Bibliografie

Mair, Michael: Erdbeben in der Provinz. Machtwechsel und politische Kultur in österreichischen Bundesländern. Verlag Böhlau. Wien, Köln, Weimar 2013.
ISBN-13: 978-3205788621

„Das Erdbeben, das die gesamte politische Landschaft Österreichs verändert hat, das hat nicht in der Bundeshauptstadt stattgefunden. Die Länder waren Vorreiter bei diesen Veränderungen. Und das ist außerordentlich bemerkenswert. Der Modernisierungszug der politischen Kultur fuhr also nicht in Wien sondern in den Ländern.“

Im Gegensatz zu den Parteien in einzelnen Bundesländern habe die Bundespolitik bisher noch keinen Mut zur Veränderung in Richtung Rot-Grün oder Schwarz-Grün aufgebracht, sagt Kriechbaumer.

Leseprobe

zu Aufstieg & Fall einer Salzburger Partei nach dem Finanzskandal:
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"SPÖ-Politik als Spielart der Darstellenden Kunst ...

... Eine politische Grundsatz-Entscheidung gegen die Beteiligung an Spekulations-Geschäften fällt unter der SPÖ nicht, die Vollmachten bleiben aufrecht, eine funktionierende interne Kontrolle findet nicht statt, auch wenn man sich „schärferer Richtlinien“ rühmt. Insofern war der Finanzskandal nicht die Krankheit – er war das Symptom. Das wirkliche Leiden war der Unwille zu regieren. „Was wir wollten im Grundsatz, war, Politik neu zu definieren, nicht als Herrschafts-Aufgabe“ formuliert es Brenner.

Man könnte auch sagen: die Salzburger SPÖ hatte Politik tatsächlich „neu definiert“, zumindest für österreichische Bundesländer – nämlich als neue Spielart der darstellenden Künste. Doch damit ging es nun zu Ende. Unter Druck schwand auch die einst so große Sicherheit in der Inszenierung, womit der SP-Spitze ihre eigentliche Kernkompetenz verlorenging ...

... Auch die Partei- und Regierungschefin Gabi Burgstaller wollte die Frage nach der politischen Verantwortung zunächst hinausschieben, das von ihr so bezeichnete „Neuwahl-Gespenst“ wich allerdings nicht mehr von der Bühne. Nach der Niederlage bei den Landtagswahlen am 5.Mai 2013 erklärte Burgstaller ihren Abschied aus der Politik. „Ich übernehme nicht die Verantwortung für das, was passiert ist“ hatte sie aber bereits im Wahlkampf klargestellt, „sondern dafür, dass aufgeräumt wird.“ Selbstkritik übte sie nur verklausuliert, über ein Zitat, das dem französischen Dramatiker Molière zugeschrieben wird: „Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun.“

Moliere, auch Schauspieler und Theaterdirektor und ein großer Experte in Sachen Inszenierung, legt seinem Helden Don Juan übrigens auch folgende Erkenntnis in den Mund: “Handeln muß man und nicht reden, Tatsachen entscheiden besser als Worte ...“

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