Ausstellung: Rolle der Bahn im Holocaust

Ohne Eisenbahn hätte es den Zweiten Weltkrieg und den millionenfachen Mord an Minderheiten und Gegnern Hitlers nicht gegeben. „Verdrängte Jahre“ ist eine neue Ausstellung in der ÖBB-Remise beim Hauptbahnhof - mit Schwerpunkt Salzburg. Sie wurde Montag eröffnet.

Verdrängte Jahre ÖBB Zeitgeschichte Widerstand Hitler Eisenbahner Widerstandskämpfer

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Auf dem Weg in die Gaskammern mit der Bahn

Drei Millionen Menschen wurden insgesamt mit der Bahn in Deutschland und Österreich (NS-Jargon: „Ostmark“) in die Konzentrations- und Vernichtungslager der Nationalsozialisten deportiert.

Die Wanderausstellung der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) „Verdrängte Jahre - Bahn und Nationalsozialismus in Österreich 1938 - 1945“ wird nach Wien und Linz nun auch in Salzburg gezeigt. Die für Besucher kostenlose Ausstellung ist von morgen, Dienstag, bis 23. August täglich (ausgenommen Feiertag) von 10.00 bis 17.00 Uhr in der ÖBB-Remise am Salzburger Hauptbahnhof geöffnet.

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SS-Leute als Bewacher bei Transporten in die Lager

Wichtige Stütze des Regimes

Thematisiert wird jener Zeitraum, in dem die Österreichischen Bundesbahnen (damals BBÖ) ein Teil der Deutschen Reichsbahn waren - von 1938 bis Frühling 1945, als Österreich von den Alliierten wieder befreit wurde.

Die Bahn stellte eine der wichtigsten Stützen des nationalsozialistischen Staates dar. Die Ausstellung ist in sieben thematische Schwerpunkte unterteilt und beleuchtet die verschiedensten Bereiche dieser dunklen Zeit „eindrucksvoll und emotional“, so die ÖBB.

Verdrängte Jahre ÖBB Zeitgeschichte Widerstand Hitler Eisenbahner Widerstandskämpfer Susanne Rolinek

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Rolinek

Historikerin über Salzburgs Rolle

Die Salzburger Historikerin und Provenienzforscherin Susanne Rolinek verweist auch auf die Zeit der „illegalen Nationalsozialisten“ in Österreich - also lange vor Hitlers „Anschluss“ und Einmarsch im Frühling 1938: „Schon seit Anfang der 1930er-Jahre spielte der Salzburger Hauptbahnhof als Knotenpunkt eine zentrale Rolle, einerseits für die Nationalsozialisten in Deutschland und Österreich. Und für den Transport ihrer illegalen Propaganda nach Österreich. Andererseits formierte sich im Bahnhofsbereich schon sehr früh starker Widerstand der Eisenbahner, der bis weit in den Krieg hinein anhielt.“

Nicht nur in der Stadt Salzburg:
Auch der frühere Saalfeldener Bürgermeister Karl Reinthaler (SPÖ) war als Pinzgauer Eisenbahner in jungen Jahren im Widerstand gegen die Nazis sehr aktiv - unter Gefahr für das eigene Leben.

Sein Kampf ist neben dem von anderen Widerständlern auch in dem zeitgeschichtlichen Buch „Im Schatten der Mozartkugel. Reiseführer in die braune Topografie von Salzburg“ (Czernin Verlag, Wien) dargestellt - im Kapitel:

Widerstand im Bergland

Auch die Bahngeschichte zur NS-Zeit im Bundesland Salzburg wird in der Ausstellung genauer dargestellt. Der langjährige Salzburger SPÖ-Politiker Karl Steinocher, der im vergangenen Mai im Alter von 93 Jahren verstorben ist, wurde für die Ausstellung noch als Zeitzeuge befragt. „Er hat auch seine Erinnerungen von damals zur Verfügung gestellt“, sagt ÖBB-Sprecher Rene Zumtobel.

Hitlers Bahnmanager mit Rekordtempo

Andreas Matthä, Vorstand der ÖBB, erinnerte bei der Eröffnung der Schau in Salzburg daran, dass die Deutsche Reichsbahn der Nazis nach dem „Anschluss“ nur fünf Tage benötigten, um die gesamte Führungsmannschaft der Österreichischen Bundesbahnen zu entlassen und auszutauschen: „Sie brachten ihr Management komplett mit. Und so konnte die Bahn lückenlos für die Ziele des Regimes missbraucht werden.“

Feingold Marko

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Feingold

100-jähriger Feingold als Ehrengast

Und dem Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde Salzburg, Marko Feingold, er feierte am 28. Mai seinen 100. Geburtstag, geht es auch um die Erinnerung:

„Nach meiner Erfahrung waren die Bahnbediensteten häufig Opfer und im Widerstand. Es ist gut, wenn es auf vielen Bahnhöfen Tafeln zur Erinnerung gibt“, sagte Feingold anlässlich der Eröffnung der Wanderausstellung am Montagnachmittag in Salzburg.

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Ausstellung in der Remise beim Hauptbahnhof

Ohne Bahn als Transportmittel wäre die Kriegslogistik von „Deutscher Wehrmacht“ und „Schutzstaffel“ (SS) nicht machbar gewesen. Und ohne die Kapazitäten der Bahn wäre auch der systematische Mord an den europäischen Jüdinnen und Juden, an Roma und Sinti, die Deportation von Sloweninnen und Slowenen, von Homosexuellen, Zeugen Jehovas und politisch Andersdenkenden nicht möglich gewesen, wurde seitens der ÖBB betont.

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Verladen der Opfer in die Güterzüge

Für Millionen der Weg in den Tod

Drei Millionen Menschen aus fast ganz Europa wurden im Zweiten Weltkrieg mit Zügen in die Vernichtungs- und Tötungslager des NS-Regimes transportiert. Die Deutsche Reichsbahn war durch die Deportation zahlloser Menschen unmittelbar am Holocaust beteiligt und mit ihr auch die ehemals österreichischen Bahnbediensteten, die seit dem „Anschluss“ Österreichs an Hitlerdeutschland bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs im Mai 1945 Bedienstete der Deutschen Reichsbahn waren. Mehr als 200.000 Österreicherinnen und Österreicher, fast die gesamte jüdische Bevölkerung wurden gezwungen, ihre Heimat zu verlassen oder mit der Bahn in Konzentrations- und Vernichtungslager geschickt.

Eisenbahner mussten „jederzeit rückhaltlos für den nationalsozialistischen Staat eintreten“. Sie wurden flächendeckend überwacht. Dennoch waren Eisenbahner laut ÖBB maßgeblich am Widerstand gegen den Nationalsozialismus beteiligt.

Schuhe von Mordopfern der Nazis, ausgestellt im KZ Stammlager Auschwitz 1

Gerald Lehner

Schuhe von Menschen, die in Auschwitz I und Auschwitz-Birkenau mit industriellen Methoden ermordet wurden - einst gesammelt von der SS und zu sehen im Museum der Gedenkstätte im südlichen Polen

Fast 290 Eisenbahner ermordet

1941 berichtete das Reichssicherheitshauptamt (RSHA) der SS über den Widerstand bei der Bahn, dass im Vergleich zum „Altreich... die Ostmark seit Ausbruch des Krieges 1939 in sabotagepolizeilicher Hinsicht eine größere Rolle spielte, da hier die fremdländischen Nachrichtendienste und die inländischen Gegnergruppen es bereits früher verstanden hatten, Sabotageorganisationen aufzubauen...“.

154 österreichische Eisenbahner wurden wegen Ihres Widerstandes zum Tode verurteilt und hingerichtet, 135 starben in Konzentrationslagern oder Zuchthäusern, 1.438 wurden zu KZ- oder Zuchthausstrafen verurteilt.

Videos:

1. Über die neue Ausstellung in der Lok-Remise beim Hauptbahnhof:

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2. Aus dem Leben von Karl Steinocher, Salzburger Eisenbahner, Widerständler und Sozialdemokrat:

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Links: