Streitgespräch um Gemeinwohl-Ökonomie

Läuft in der Wirtschaft derzeit alles richtig oder braucht es ein völlig neues Konzept? Diese Frage war Hauptthema eines Streitgesprächs in der Wirtschaftskammer. Michael Hörl, Lehrer und Buchautor, diskutierte dabei mit dem Erfinder der Gemeinwohl-Ökonomie, Christian Felber.

Es prallten zwei Welten aufeinander, die bis zum Schluss unversöhnlich schienen. Zufriedenheit und gegenseitige Wertschätzung anstatt Egoismus und Profitgier: Das ist - verkürzt gesagt - der Kern der Gemeinwohl-Ökonomie von Christian Felber, Mitbegründer der globalisierungskritischen Bewegung „Attack“. Das ausschließliche Streben nach immer mehr Wachstum in der Wirtschaft sei ein Irrweg, sagte Felber.

„Die erste Million muss die leichteste sein“

Er sei zwar auch für Leistung, aber für eine andere Besteuerung als derzeit. In Österreich sei Arbeit zu hoch, Vermögen zu niedrig besteuert, was vielen Menschen den Weg zu Wohlstand versperre, kritisierte Felber. „Es sollten möglichst viele Menschen die Möglichkeit bekommen, sich ein bescheidenes Vermögen zu schaffen. Die erste Million sollte dabei die leichteste sein und nicht - wie derzeit - die schwierigste. Beim jetzigen Steuersystem werden 99 Prozent aller Menschen in Österreich und Deutschland nie diese erste Million erreichen. Die zweite Million sollte schon schwieriger sein und bei der 100. Million muss man sich dann ohnehin fragen: Wo war da meine Leistung?“

„Börsen in der derzeitigen Form abzulehnen“

Außerdem sollte Kapital nicht in erster Linie wegen der wirtschaftlichen Rendite angelegt werden, ergänzte Felber, der auch die Börsen in ihrer derzeitigen Form ablehnt.

Konter: „Börsen fördern faire Preisbildung“

Genau diese verteidigte Felbers Kontrahent und Kritiker, Michael Hörl, vehement. „Das einzige Produkt, auf die es keine Finanzprodukte gibt, ist die Zwiebel. Dafür gibt es auch keine großen Börsen, das haben einst die Bauern in den Vereinigten Staaten durchgesetzt. Der Preis für Zwiebel steigt in einem Jahr um 200 Prozent und fällt im nächsten Jahr wieder um 50 Prozent. Die Ausschläge sind also extrem hoch. Bei Produkten wie Microsoft oder Coca Cola, von denen auf großen Börsen Millionen von Aktien gehandelt werden, sind die Ausschläge hingegen viel geringer. Das heißt: Fairere Bewegungen von Preisen haben wir da, wo möglichst viele Menschen auf einem Markt oder auf einer Börse handeln“, sagte Hörl.

Viel Zeit mit gegenseitigen Vorwürfen vergeudet

Für das geplante Mitdiskutieren des zahlreich erschienenen Publikums blieb dann kaum mehr Zeit, weil diese hauptsächlich mit gegenseitigen Vorwürfen über falsches oder richtiges Zitieren und Recherchieren vergeudet wurde. So war es auch kein Wunder, dass die vielen Besucher an Orientierungshilfe aus dem Streitgespräch kaum etwas mitnehmen konnten.