Fußfessel für Vergewaltiger: Proteststurm

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Linz, einem verurteilten Salzburger Vergewaltiger die Haft zu ersparen und ihm eine elektronische Fußfessel zu ermöglichen, führt zu einem Proteststurm von Opfervertretern, aber auch aus der Politik.

Elektronische Fußfessel

APA/dpa/Carsten Rehder

Elektronische Fußfessel

Ein heute 51-jähriger ehemaliger Hundeausbildner wurde wegen fünffacher Vergewaltigung einer 15-Jährigen 2007 rechtskräftig zu zwei Jahren Haft verurteilt, acht Monate davon unbedingt. Diese Woche traf das Oberlandesgericht (OLG) Linz zwei Entscheidungen:

Zum einen wurde der abzusitzende Teil der Strafe auf sechs Monate reduziert, und zum anderen darf der Mann diese Zeit mit einer Fußfessel im Hausarrest verbringen - mehr dazu in Vergewaltiger muss nicht in Haft (salzburg.ORF.at, 21.8.2012).

Forderung: Opfer im Verfahren anhören

Rosa Loger, Vorsitzende des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser und anerkannte Expertin des Opferschutzes, hält das für nicht akzeptabel. Für sie ist der Fall ein Grund, das Fußfesselverfahren bei solchen Delikten zu verändern, „damit die Stimme des Opfers auch gehört wird und die Bedürfnisse nach Sicherheit des Opfers gehört werden“.

Denn Opfer hätten Angst, ihrem Vergewaltiger noch einmal zu begegnen. Für Logar ist nicht verständlich, dass ein solcher Straftäter nie ins Gefängnis muss: „Es sollte auf jeden Fall nicht das Signal aussenden, dass das ein Bagatelldelikt ist. Und dass es hier keine Gefängnisstrafe braucht.“

Ministerium akzeptiert Gerichtsentscheidung

Dagmar Albegger, Sprecherin des Justizministeriums, sagte dem ORF, dass das Ministerium die Entscheidung des unabhängigen Gerichts akzeptiere und nicht kommentieren wolle. Auch zur über den Hundeausbildner verhängten, vergleichsweise milden Strafe wolle sie aus demselben Grund nicht Stellung nehmen: „Richter bewegen sich mit ihren Urteilen innerhalb eines Strafrahmens und schauen im Einzelfall, welche Strafe angemessen ist.“

Die Salzburger Justizanstalt hatte die Fußfessel in dem Fall wegen Rückfallgefahr abgelehnt. Nach der Stellungnahme der Begutachtungs- und Evaluationsstelle für Gewalt- und Sexualstraftäter (BEST) fielen einige Testgutachten derart aus, dass die Justizanstalt erhebliche Bedenken gegen den elektronisch überwachten Hausarrest hatte. Doch schlussendlich setzten sich der Vergewaltiger und seine Verteidigung beim OLG durch.

Video: Opfer empört über Urteil

Dieses Element ist nicht mehr verfügbar

Protest von FPÖ, BZÖ, FPK

Massive Kritik am Umgang der Justiz mit dem Salzburger Sexualstraftäter kam von der FPÖ, der FPK und dem BZÖ. „Es ist ungeheuerlich, wie diese Justizministerin Opfer von Sexualverbrechen verhöhnt“, empörte sich die freiheitliche Nationalratsabgeordnete Dagmar Belakowitsch-Jenewein.

Für den stellvertretenden FPK-Obmann Christian Ragger „ist etwas faul in unserem Rechtsstaat, wenn ein Vergewaltiger seine Haftstrafe in der milden Form eines elektronisch überwachten Hausarrestes abbüßen darf“. BZÖ-Justizsprecher Gerald Grosz ortete „einen wirklichen und unverständlichen Justizskandal“.

Strafrechtler: Fußfessel „keineswegs Freiheit“

Der Wiener Strafrechtsprofessor Helmut Fuchs wünscht sich im Gespräch mit der APA eine differenziertere Sichtweise. Zum einen bedeute eine elektronische Fußfessel „keineswegs Freiheit. Es handelt sich um ein ganz strenges System. Man darf arbeiten gehen, einkaufen, zum Arzt - aber das war’s dann auch schon.“ Der Betroffene würde sich sehr bemühen, „nur ja nichts zu tun, weil jede Abweichung auch zum sofortigen Widerruf des bedingten Teils der Strafe führen kann. Der Vorteil solcher Maßnahmen: Es besteht ein besonderer Anreiz, sich angemessen zu verhalten“, so Fuchs.

Vor allem bei erstmaliger Verurteilung und guter Prognose solle die Fußfessel eingesetzt werden, betont der Strafrechtsexperte: „Die Rückfallgefahr ist geringer, als wenn ich jemanden einsperre.“ Laut Fuchs seien schon einige Studien zu dem Schluss gekommen, dass mit einer Fußfessel bessere Effekte erzielt werden können, weil die Schaffung eines sozialen Umfelds sehr zur Integration beitrage. Fuchs: „In dem Augenblick, in dem man einsperrt, hat man alle Möglichkeiten ausgeschöpft.“

„Bin sicher, dass OLG sehr sorgfältig geprüft hat“

Den aktuellen Fall will der Wiener Strafrechtsprofessor - schon wegen fehlender Detailkenntnis - nicht kommentieren. „Nur so viel: Ich bin sicher, dass das OLG Linz sehr sorgfältig geprüft hat, davon bin ich überzeugt.“

Links: