40 Jahre ORF Landesstudio Salzburg
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Peichls Architektur bewährt sich bis heute
„Auf Realisierung und Verwirklichung kommt es mir an, denn gute Pläne gibt es ja genug. Erich Kästner sagt dazu: `Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.`“
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Als der Architekt Gustav Peichl das im Sommer 1972 auf dem Dach des neu eröffneten ORF Landesstudios Salzburg sagte, waren der Bau und die Eröffnung von vier neuen Landesstudios des ORF in Westösterreich alles andere als unumstritten.
Salzburg war das erste der designerischen Schmuckstücke, die wenig später mit gleichen Grundrissen auch in Innsbruck, Dornbirn und Linz in Betrieb gingen. In den Neubauten offenbart sich auch ein demokratischer Geist, der den öffentlich-rechtlichen Medienbetrieb gegenüber der Bevölkerung öffnete und die über Jahrzehnte übliche Hofberichterstattung über Politik in den Hintergrund drängte. Immerhin verstand und versteht sich der ORF als Rundfunk der Bevölkerung - und nicht als verlängerter Arm der Parteipolitik.
22 Jahre nach Weltkrieg noch unterentwickelt
Moderne Produktionsräume für Radio und Fernsehen waren damals längst überfällig, denn die Pressefreiheit von Radio und Fernsehen wurde von der Politik eher stiefmütterlich behandelt. Rund 22 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges arbeiteten die vier Landesstudios im Westen noch immer unter völlig unzulänglichen Bedingungen.
ORF bestenfalls geduldeter Untermieter
Die technischen Einrichtungen stammten vor dem Neubau zum Teil noch aus der Vorkriegszeit. Eigene Arbeitsräume gab es nicht. Man lebte als Untermieter geduldet. Das Studio Oberösterreich war im Linzer Finanzamt untergebracht, das Studio Salzburg in den Mönchszellen und Kellergewölben des alten Franziskanerklosters in der Altstadt.
Studio Tirol kämpfte im Amtsgebäude der Landesregierung in Innsbruck um jeden Quadratmeter, und das Vorarlberger Studio war im Rathaus von Dornbirn notdürftig einquartiert.
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Festspiele als Turbo für Neubau
Wegen der Bedeutung der Salzburger Festspiele war das Studio Salzburg 1972 das erste der vier neuen Projekte, das fertiggestellt wurde.
„Peichl-Torte“ war der Spitzname der damals revolutionären Architektur, deren Qualität sich heute nach 40 Jahren weiterhin bei der praktischen Tagesarbeit der ORF-Teams bewährt.
Peichls zeitlose Funktionalität schaffte es auch in internationale Publikationen über Kunst und Kultur sowie in prominente Architekturführer. Immer wieder sind bis heute auch Studenten und Fachleute aus Übersee zu Gast, um sich das Salzburger Landesstudio anzusehen. In den USA würde es wohl längst zu den „National Historic Landmarks“ gehören.
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„Tiger“ weist Politiker in die Schranken
Damals war ORF-Generalintendant Gerd Bacher dem Vorwurf sparwütiger Politiker ausgesetzt, er würde sich Denkmäler bauen: „Bei Ämtern und Ministerien können sie sich gar nicht bei Investitionen sattsehen, so betrachtet man unsere Aktivitäten mit scheelem Blick.“
Bacher hat bis heute den Spitznamen „Tiger“, schon damals verteidigte er den Rundfunk gegen Übergriffe der Politik mit Zähnen und Klauen: „Wer den ORF dem Zentralismus opfert, der leistet der Provinzialisierung des Geistes in Österreich massiven Vorschub. Es würde ein wesentlicher kultureller Auftraggeber aus den Ländern abgezogen.“
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Keine Hofberichterstattung mehr
Rundfunk und Fernsehen, das war für manche 1972 noch etwas, vor dem gewarnt werden musste. Einzelne verstiegen sich sogar zu Aussagen, elektronische Medien müsse man stärker kontrollieren als Atomwaffen. Unabhängige Recherche, vielerlei Blickwinkel von Interviewpartnern und auch kritische Töne gegenüber Obrigkeiten, solche Dinge hatten in Österreich 1972 noch keine sehr lange Tradition.
Hannelore Hopfer & Gerald Lehner, ORF Salzburg