Zweitausend Jahre Pilgerfahrten

Archäologen legen auf dem Falkenstein bei St. Gilgen am Wolfgangsee (Flachgau) die Reste einer uralten Wallfahrtsstätte frei. Schon im ersten Jahrtausend vor Christus waren hier keltische Pilger unterwegs, später wurde der Berg ein Kultplatz für den Heiligen Wolfgang.

Zu Spitzenzeiten passierten im Spätmittelalter jährlich bis zu 300.000 Pilger den steilen Waldfelsen auf dem Weg von St. Gilgen nach St. Wolfgang im angrenzenden Oberösterreich.

Falkenstein

Wolfgang Bauer

Wallfahrtskirche auf dem Falkenstein

„Die Forschungsergebnisse bereichern die Salzburger Landesgeschichte um eine längst vergessene aber bedeutende Facette des christlichen Alltagslebens, das am Wolfgangsee schon im Spätmittelalter den ‚Tourismus‘ begründet hat“, sagt Grabungsleiter Wolfgang Neubauer von der Universität Wien und Direktor des Ludwig Boltzmann Instituts für Archäologische Prospektion und Virtuelle Archäologie.

Durch Bodenradarmessungen entdeckte sein die Fundamente einer längst vergessenen Klause auf der Lichtung unterhalb der Wallfahrtskirche auf dem Falkenstein, in der einst je zwei Eremiten lebten. Die Fachleute graben derzeit nach Überresten der Klause, deren Hausrat, Speiseresten, Münzen und Devotionalien: „Die Funde lassen das tägliche Leben der Eremiten und Pilger wieder lebendig werden. Unter der Klause wurde ein bisher unbekannter Kellerraum entdeckt, in dem ein hölzernes Rohr bis heute Wasser führt, das aus der ursprünglich legendenhaft dem Bischof Wolfgang zugeschriebenen Quelle stammt“, so Neubauer.

Kultstätte für Ostalpenraum

Nachdem sich das Christentum in der Gegend gefestigt hatte, wurde der Falkenstein in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts von einer keltischen in eine christliche Pilgerstätte umgewandelt. Der Legende nach soll bereits der Heilige Wolfgang selber an diesem zurückgezogenen Ort geweilt haben. Die Wolfgang-Heiligtümer auf dem Falkenstein waren später im 16. und 17. Jahrhundert besonders tief im religiösen Bewusstsein der Menschen verankert. Nach der Stiftung der Kirche von St. Wolfgang im Jahr 1626 kam es neben steigenden Spenden der Wallfahrer zu dem Bedürfnis einer ständigen Betreuung des Falkensteins und der vorbeiziehenden Pilger.

Deshalb wurde schon bald darauf die Errichtung einer Klause, in der bis zu zwei Laienbrüder gleichzeitig wohnten, bewilligt. Diese einfache Holzhütte, die aus Abbildungen und anderen Quellen bereits bekannt ist, diente mehr als 150 Jahre lang als einfache Behausung und Ort der Einkehr. Sie wurde von insgesamt zwölf Einsiedlern bewohnt, von welchen der erste ab 1659 auf dem Falkenstein lebte, und der letzte 1812 dort verstarb.

Leben der Einsiedler und Pilger

2009 untersuchten Spezialisten mit modernen Bodenradargeräten den Untergrund auf der Lichtung unterhalb der Kirche auf dem Falkenstein. Einem Röntgenbild vergleichbar wurden durch die Radargramme Fundamente im Boden auf dem Computer sichtbar gemacht und die seit Langem verfallene Klause wiederentdeckt. Nachdem alle schriftlichen und bildlichen Quellen zum Falkenstein gesammelt und von Historikern ausgewertet wurden, begannen 2011 Archäologen eine Ausgrabung mit modernster Technik.

Abfüllstation für Pilgerwasser

Unerwartet und sensationell war die Entdeckung von zwei Kellerräumen unter der Klause, die völlig unbekannt waren. Diente der eine Gewölbekeller als Vorratskeller für ausgewählte Fleischstücke, Schmalz und andere Lebensmittel, hatte der zweite Keller eine einzigartige Funktion. Er war von der Küche aus zu begehen und mit einer Falltür verschlossen, von der noch das steinerne Gegengewicht gefunden wurde. Über eine Wendeltreppe mit Holzstufen erreichte man ein kleines Gewölbe.

In diesen Kellerraum mündete eine hölzerne Wasserleitung, aus der Wasser in die so genannten Wolfgangiflascherl für die Pilger abgefüllt wurde. Gespeist wird die Leitung wohl aus der ursprünglichen Quelle am Falkenstein, die der Legende nach vom Heiligen Wolfgang mit seinem Stab für seinen dürstenden Mitbruder aus dem Felsen geschlagen wurde.

Uralter „Müll“ bringt viele Erkenntnisse

Bei der Klause fand man viele Fragmente von tönernen Töpfen, Schalen, Tellern, Bechern, Tassen und Krügen oder von qualitätsvollen Flaschen und Krügen aus Glas sowie die Bruchstücke von mindestens zwei verschiedenen Kachelöfen, zusammengesetzt aus unterschiedlichen, grün glasierten Kacheln.

Im Bereich der Klause wurden mehr als 100 Münzen der Habsburger, aus dem Erzbistum Salzburg, Tirol, Bayern und aus verschiedenen süddeutschen Städten gefunden. Die Münzen sind zum Großteil aus Silber, die ältesten stammen aus dem frühen 17. Jahrhundert und belegen die Herkunft und Spendenfreudigkeit Hunderttausender Pilger.

Eremitenpfeifen und Wolfgangihackerl

Neben diversem Hausrat der Einsiedler fanden die Archäologen auch persönliche Gegenstände der Eremiten wie Tabakpfeifen und Feuersteine der Feuerzeuge, eine Maultrommel und eine Knochenflöte, Knöpfe und Gürtelschnallen. Eine Besonderheit ist eine Taschensonnenuhr von 1682, Besitz des Fraters Wilhelm Buchberger (gestorben 1684), die zwar in seinem Nachlass aufscheint, aber die Erben wohl nie erreichte.

Devotionalien als Erinnerungsstücke an die Wallfahrt wurden nicht nur von Pilgern verloren, sondern auch an Ort und Stelle hergestellt und gegen Spenden ausgegeben. Davon zeugen verschiedene Perlen von Rosenkränzen, Gussformen für Kugeln und Drähte und sechs so genannte Wolfgangihackerl, Miniaturen der Axt, die in späterer Zeit zum Attribut des Heiligen Wolfgang wurde und bei Pilgern besonders begehrt war.

Links:

Wandertipp: Falkenstein - Auf den Spuren von St. Wolfgang