Tipps gegen Tod durch Blitzschlag

Jährlich werden weltweit etwa 1.000 Personen vom Blitz getroffen, wobei 70 Prozent diese Unfälle überleben. Verletzungen und Tod durch Blitze können relativ gut vermieden werden, wenn man die richtigen Vorsichtsmaßnahmen trifft.

Blitzeinschlag

dpa/Martin Füger

Die Tipps sind nach international aktuellem Stand der Wissenschaften zusammengestellt. Sie stammen von Alpinmedizinern, Not- und Bergrettungsärzten aus Europa und Nordamerika: Ken Zafren, Bruno Durrer, Jean-Pierre Herry, Hermann Brugger und Fidel Elsensohn, die ehrenamtlich für die Internationale Kommission für Alpines Rettungswesen (IKAR) tätig sind.

Die meisten Todesfälle durch Blitzschlag entstehen durch sofortigen Atem- und Kreislaufstillstand, den der Blitz auslöst. Personen, die das Bewusstsein verlieren, bei denen der Kreislauf aber erhalten bleibt, kommen meistens mit dem Leben davon.

Auto als „Schutzkäfig“

Die Gefahr von Blitzschlägen droht bei allen Aktivitäten im Freien. Landwirte, Urlauber, Wassersportler, Wanderer und Bergsteiger in gemäßigten bis tropischen Zonen sind besonders gefährdet, da sie häufig nicht rechtzeitig eine vom Blitz geschützte Stelle finden können. Das sind feste Häuser mit verschließbaren Fenstern und Türen sowie Blitzableiter oder ein Auto, das physikalisch wie ein Schutzkäfig gegen den Blitz wirkt.

Man sollte sich bei Gewitter- und Blitzgefahr generell so schnell wie möglich von offenen Metallteilen, Metallgerüsten, anderen Bauteilen aus Metallen, Drahtseilen und Stahlleitern etc. entfernen.

Kauerstellung

Man sollte eine Kauerstellung einnehmen (Details siehe unten), wenn man bemerkt, dass einem schon die Haare „zu Berge“ stehen. Ein Knistern oder eine sichtbare Funkentladung an ausgesetzten Punkten in der Umgebung (Elmsfeuer) können Anzeichen eines unmittelbar bevorstehenden Blitzschlages sein. Die Bergung von Blitzopfern kann ebenfalls gefährlich sein - durch weitere Blitze. Es ist daher ratsam, mit Bergung und Hilfe abzuwarten, bis die Gefahr weiterer Einschläge vorüber ist.

Gewitter Wetter Alpen Blitz Sturm Gebirge Chiemgauer Alpen Gewittersturm Blitzschlag Tiefdruck Regen Starkregen Alm Berglandwirtschaft Almwirtschaft Wandern

Gerald Lehner

Unfallverhütung, richtiges Verhalten

Blitzschlagverletzungen sind durch richtige Maßnahmen in vielen Fällen vermeidbar. Blitzgewitter entstehen meist an Nachmittagen und nachts in den Sommermonaten. Blitze entstehen in Zusammenhang mit Quellwolken, können jedoch kilometerweit vor einem Gewitter herziehen oder ihm nachfolgen. In solchen Fällen können sie auch bei klarem Himmel entstehen. Der Beginn und das Ende eines Gewittersturms sind deshalb die gefährlichsten Momente.

30 Sekunden als Richtlinie

Die „30-30“-Regel besagt, dass die Gefahr hoch ist, wenn der zeitliche Abstand zwischen dem Blitz und dem Donner weniger als 30 Sekunden beträgt (flash-to-thunder-time), und dass man erst 30 Minuten nach dem letzten Blitz oder Donner sich wieder ins offene Gelände begeben sollte. Der beste Ort, um sich bei einem Gewitter in Sicherheit zu bringen, ist ein Haus oder eine Hütte mit geschlossenen Türen und Fenstern. In kleinen offenen Hütten und Unterständen besteht jedoch die Gefahr von Seitenblitzen. Zelte bieten ebenfalls keinen Schutz, da Zeltstangen aus Metall wie Blitzableiter wirken. Größere Felshöhlen und Mulden können Sicherheit bieten, aber kleine Nischen, Überhänge und Wasser führende Bachbette können gefährlicher sein als das offene Feld.

Nähe zu Felswand günstig

Wenn jemand im Gebirge von einem Gewitter überrascht wird, sollte er sich von Graten und Gipfeln fernhalten und einzelne Bäume, Stromleitungen, Seilbahnen und Skilifte meiden. Nahe einer Felswand gibt es ein relativ sicheres Dreieck, dessen Seitenlänge am Boden der Höhe der Wand entspricht. Um die Gefahr von Bodenströmen zu verringern, empfiehlt sich ein Abstand von mindestens einem Meter zur Wand.

Kauerstellung mit geschlossenen Beinen

Ein schütterer Wald mit niedrigen Bäumen ist sicherer als eine freie Lichtung. Im freien Gelände sollte man mit geschlossenen Beinen Kauerstellung einnehmen und den Boden mit der kleinstmöglichen Fläche berühren um einen Kriechstrom zu vermeiden. Man kann sich auch auf ein trockenes Seil setzen, sollte sich aber nicht flach auf den Boden legen.

Wenn man ein Kribbeln verspürt oder einem die Haare zu Berge stehen, sollte man so schnell wie möglich mit geschlossenen Beinen in Kauerstellung gehen. Knistern und sichtbare Funken an erhöhten ausgesetzten Punkten (Elmsfeuer) deuten auf einen unmittelbar bevorstehenden Einschlag hin.

Gewitter Wetter Alpen Blitz Sturm Gebirge Chiemgauer Alpen Gewittersturm Blitzschlag Tiefdruck Regen Starkregen

Gerald Lehner

Metalle als Leiter gefährlich

Metalle ziehen Elektrizität nicht an, aber sie sind gute elektrische Leiter. Jeder elektrisch leitende Gegenstand, der über Schulterhöhe getragen wird, erhöht das Risiko, von einem Blitz getroffen zu werden erheblich. So können beispielsweise über den Rucksack ragende Arbeitsgeräte, Ski, Eispickel, Skistöcke und Antennen als Blitzableiter fungieren. Handys und Radios sollten in der Mitte des Rucksacks verstaut werden. Metallobjekte sollten in sicherer Entfernung abgelegt werden. Wenn metallische Gegenstände in direktem Kontakt mit der Haut stehen, dann besteht erhöhtes Risiko für Verbrennungen. Um Aufprallverletzungen zu vermeiden, sollten Helme nicht abgenommen werden, und Bergsteiger sollten stets selbst gesichert sein.

Veranstaltungen im Notfall absagen

Wenn dem Gewitter mehrere Personen ausgesetzt sind, dann sollten sie nicht dicht beisammenstehen, sondern voneinander Abstand halten, um Bodenströme und Seitenblitze zwischen den Personen zu vermeiden. Die Organisatoren von öffentlichen Veranstaltungen könnten mit Behörden Sicherheitsvorkehrungen vereinbaren und die Veranstaltung nach der „30-30“-Regel (siehe oben) abbrechen, absagen oder verschieben.

Erste Hilfe

Die Behandlung von Blitzschlagopfern basiert auf den ABCs der Ersten Hilfe: Atemwege freilegen, Beatmung und Herzdruckmassage. Wenn es mehrere Blitzopfer gibt, dann hat die Beatmung von Verletzten mit Atemstillstand absoluten Vorrang. Auch bei einem längeren Atemstillstand ist die Prognose in der Regel gut, wenn die künstliche Beatmung rechtzeitig begonnen wird.

Durch Stürze und Abstürze kann es bei Blitzschlägen auch zu schweren Knochenbrüchen und Schädelverletzungen kommen, die mit dem Blitz selbst nichts zu tun haben.

Bergretter verbinden übungsmäßig ein fiktives Unfallopfer.

Gerald Lehner

Bergretter versorgen Blitzopfer (Übung beim ÖBRD-Ausbildungszentrum im Tiroler Jamtal)

Verletzungsmechanismen

Im Gegensatz zum relativ „langsamen“ elektrischen Stromunfall, etwa durch Berührung von Stromleitungen, verursachen Blitzschläge massive Stromschläge von extrem kurzer Dauer. Es gibt unterschiedliche Verletzungsmechanismen.

a) Personen können auf offenem Feld direkt vom Hauptblitz getroffen werden. Das ist meist tödlich.

b) Häufiger springt der Strom von einem nahen Baum oder einem anderen Objekt auf eine Person über („side flash“).

c) Kontaktverletzungen können durch die Berührung eines Objektes entstehen, das von einem Blitz getroffen wurde oder worauf Strom übergesprungen ist - wie beispielsweise Verankerungen, Schienen, Geländer, Gerüste, Seile und Leitern.

d) Wenn ein Blitz in den Boden einschlägt, breitet sich der Strom kreisförmig aus. Wenn von zwei Berührungspunkten einer Person mit der Erde einer weiter von der Einschlagstelle entfernt liegt als der andere, dann entsteht ein elektrisches Spannungsgefälle. Dann kann zwischen den beiden Berührungspunkten Strom durch den Körper fließen (Kriechstrom), der massive Schäden bewirken kann.

e) Durch die Schockwelle des Blitzschlags oder durch Muskelkontraktionen aufgrund des Stromschlages kann es zu Aufprallverletzungen kommen. Bergsteiger können die Balance verlieren und abstürzen oder beim Klettern direkt aus der Wand geschleudert werden.

Blitzverletzungen

Direkte Blitzverletzungen werden durch die Hochspannung, Hitzeentwicklung und Explosionskraft hervorgerufen. Die häufigste Todesursache ist ein Atem- und Kreislaufstillstand, verursacht durch Kammerflimmern des Herzens. Der Atemstillstand kann primär durch eine Lähmung des Atemzentrums verursacht sein und zum Herzkreislaufstillstand führen. Rechtzeitige künstliche Beatmung kann die natürliche Atmung relativ schnell wieder in Gang setzen. Ein Blitzschlag kann jedoch auch direkt die Steuerung des Herzens schädigen oder zerstören, die auf elektromagnetischen Reizen in Nervenbahnen beruht.

Indirekte Verletzungen

Der Blitzschlag kann zu weiteren Unfällen, Stürzen, Kollisionen oder Abstürzen führen - und dadurch Aufprallverletzungen sowie verschiedene Schädel-Hirn-Traumen und Frakturen verursachen - aber auch neurologische Ausfälle, gerissene Trommelfelle und Blutergüsse sowie schweres Nasenbluten. Neuropsychiatrische Veränderungen wie Verwirrtheit, Gedächtnisstörungen, epileptische Anfälle, Taubheit und Erblindung sind meist vorübergehend.

Lähmungen, Verbrennungen

Die Lähmung von Armen und Beinen durch Blitzschlag ist keine neurologische Verletzung. Sie bildet sich meistens nach einigen Stunden wieder zurück. Verbrennungen werden direkt durch die Folgen des Blitzschlages oder durch Hitze ausgelöst und können auf der Haut linear oder punktuell auftreten. Baumartig verzweigte Streifen auf der Haut, „Blitzfiguren“, sind keine Verbrennungen, sondern Hautmale, welche durch einen „elektronischen Schauer“ erzeugt werden. Das sind eindeutige Beweise für einen Blitzschlag, wenn man zum Beispiel ein bewusstloses Opfer mit diesen Zeichen findet.

Durch die extrem kurze Zeitspanne der Entladung dringen die Verbrennungen durch Blitze tiefer in den Körper ein als Verbrennungen bei Stromunfällen.

Legenden, Unwahrheiten

Die folgenden Aussagen gehören in das Reich der Legenden, die keinerlei praktische Bedeutung haben. Man sollte sich daher keinesfalls darauf verlassen:

• Es ist gefährlich, ein Blitzschlagopfer zu berühren • Ein Blitz schlägt nie an derselben Stelle zweimal ein • Ein Blitz schlägt immer in das höchste Objekt ein

Links: