Höchstgericht kippt Bettelverbot

Das Salzburger Bettelverbot ist vom Verfassungsgerichtshof in Wien am Mittwoch aufgehoben worden. Das schon 1979 im Landtag beschlossene Gesetz verstößt gegen die Europäische Menschenrechtskonvention und das Recht auf freie Meinungsäußerung.

Bettler auf der Straße

ORF

Bettler in der Stadt Salzburg

Geklagt hatte ein Bettler aus der Slowakei, der sich wegen dieses Verbots nicht mehr getraut hatte, in Salzburg zu betteln. Und der Verfassungsgerichtshof in Wien gibt diesem Mann nun Recht.

Das rigorose Salzburger Bettelverbot ist illegal: „Stilles Betteln, etwa mit einem Hut, zu untersagen und mit einer Verwaltungsstrafe zu belegen, das ist verfassungswidrig, da es dem Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention - der Freiheit der Meinungsäußerung - widerspricht“, erklärt Gerhart Holzinger, Präsident des Verfassungsgerichtshofes.

Das Salzburger Bettelverbot - ein Landesgesetz - betreffe alle Bereiche des Bettelns, sagt Rechtsanwalt Christian Brünner aus Gratkorn in der Steiermark. Das ist den Höchstrichtern ein Dorn im Auge.

Wer ist der Kläger?
Der 39-jähriger Slowake lebt laut Auskunft der Vinzenzgemeinde mit seiner Frau und zwei Kindern in einer kleinen Zweizimmerwohnung in einem baufälligen, feuchten Haus im südost-slowakischen Verwaltungsbezirk Rimavska Sobota. Der Angehörige der Roma absolvierte nach seiner Pflichtschulzeit eine Lehre als Maurer und arbeitete bis 1997 bei einem Bauunternehmen. Als sich dieses auflöste, fand er keinen Job mehr. Der 39-Jährige bezog zunächst noch Sozialhilfe, die dann aber zur Gänze gestrichen wurde.

„Seine Bemühungen, seit damals Arbeit zu finden, sind seitdem gescheitert. Als Angehöriger der Roma hatte er keine Chance. Darum bettelt er“, erklärte die Gratkorner Rechtsanwältin der Vinzenzgemeinschaft, Gerlinde Goach, die am 27. Oktober 2010 im Namen des Slowaken Klage gegen das Salzburger Bettelverbot einbrachte: „Er braucht das erbettelte Geld, um sich und seine Familie in der Heimat zu versorgen.“

Bitten um milde Gaben erlaubt

Brünners Kanzlei hat den slowakischen Bettler vor Gericht vertreten: „Die Salzburger Bestimmung ist in zweierlei Hinsicht verfassungswidrig. Sie verstößt gegen die Pflicht zu einer sachlichen Regelung. Weil es absolut ist, verstößt dieses Bettelverbot gegen diese Vorgabe. Und zweitens verstößt das Bettelverbot gegen die Europäische Menschenrechtskonvention - das Recht auf freie Meinungsäußerung. Dazu gehört auch, wenn jemand still um eine milde Gabe bittet.“

Das generelle Salzburger Bettelverbot muss nun vom Landtag - laut Höchstgericht „unverzüglich“ - aufgehoben bzw. verändert werden. Es war zuletzt besonders von Stadtpolitikern umgesetzt und genutzt worden.

Freude bei Kritikern des Verbotes

Salzburgs Caritas, die Armutskonferenz, die Katholische Aktion sowie die Plattform für Menschenrechte begrüßen das aktuelle Urteil des Verfassungsgerichtshofes. Es stelle Sachverhalte klar, die von Kritikern des Salzburger Bettelverbotes schon seit langem in der politischen Debatte angemerkt worden seien. Robert Buggler von Armutskonferenz sagt dazu, er habe noch nie „aggressive Bettler“ in der Stadt Salzburg gesehen: „Sehr wohl aber Politiker, Spendensammler oder Versicherungsmakler, die aggressiv um Stimmen oder Geld werben.“

Vizebürgermeister fürchtet „Banden“

Zum Thema gab es Mittwoch eine Aussendung von ÖVP-Vizebürgermeister Harald Preuner, eines Verfechters des rigorosen Salzburger Bettelverbotes.

Regierungschefin Gabi Burgstaller (SPÖ) müsse als für Legistik beim Land zuständige Politikerin nun schleunigst sicherstellen, dass das Landesgesetz repariert wird, so der schwarze Stadtpolitiker Preuner: „Aus vielen Gesprächen und Beschwerden weiß ich, dass die aggressive Bettelei für die Bevölkerung ein massives Ärgernis ist und hier ein Riegel vorgeschoben werden muss. Eine ersatzlose Aufhebung des Bettelverbotes kommt einer Einladung an südosteuropäische Banden gleich, in Salzburg zu betteln. Selbstverständlich wird die mir unterstehende Behörde auch weiterhin die Bestimmungen des Forst- und Campiergesetzes sowie des Abfallwirtschaftsgesetzes exekutieren und illegale Lager räumen. Dazu sind wir gesetzlich verpflichtet."

Bürgerliste mit Kritik an Preuner

Die grüne Bürgerliste in der Stadt Salzburg hingegen fordert den ÖVP-Politiker Preuner auf, seine „Töne als Scharfmacher“ einzustellen. Die Stadt müsse für Bettler endlich menschenwürdige Notunterkünfte und sanitäre Anlagen zur Verfügung stellen, so Gemeinderätin Ingeborg Haller von der Bürgerliste.

Gekippte Regelung stammt von 1979

Aus dem Büro der Landeshauptfrau wird mitgeteilt, das nun aufgehobene Gesetz bzw. Bettelverbot stamme ursprünglich aus dem Jahr 1979, als die Landesregierung noch von Wilfried Haslauer senior (ÖVP) als Landeshauptmann geführt wurde.

Landeshauptfrau: „Neues Gesetz kommt“

LH Gabi Burgstaller sagt dazu, sie habe bereits der Landeslegistik den Auftrag gegeben, den entsprechenden Entwurf für ein verfassungskonformes Gesetz auszuarbeiten. Sie halte eine klare gesetzliche Unterscheidung zwischen aggressiven und organisierten Formen des Bettelns und dem „althergebrachten Betteln aus einer akuten Notsituation“ für unerlässlich, so Burgstaller.

In Österreich sollte kein Mensch auf das Betteln angewiesen sein, so Burgstaller. Jeder werde aber Verständnis haben, wenn Menschen in kurzfristigen Notlagen keinen anderen Ausweg sehen. Organisiertes oder aggressives Betteln müssten jedoch eingedämmt werden.

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Schnell: „Mit Bettlern überschwemmt“

„Ein Bettelverbot nach dem Vorbild von Oberösterreich muss unverzüglich von der Salzburger Landesregierung auf den Tisch“, fordert Salzburgs FPÖ-Chef Karl Schnell. Sollte bis Herbst nicht eine Regierungsvorlage vorliegen, werde die FPÖ im Landtag einen Antrag stellen: „Salzburg wird immer häufiger geradezu mit Bettlern überschwemmt.“

Rössler vermisst Gesamtkonzept

Wenn die Landeshauptfrau die Menschenrechtskonvention ernst nehmen würde, dann müsste sich Salzburg seiner Verantwortung - durch mehr als neue Paragraphen - stellen: „Dazu würde zum Beispiel ein Gesamtkonzept gehören, welches bettelnden Menschen in einer der reichsten Städte der Welt einen menschenwürdigen Platz zugesteht“, sagt die Landtagsabgeordnete Astrid Rössler von den Grünen.

Bestimmte Formen der Bettelei illegal

So genanntes „aggressives“ oder organisiertes Betteln kann laut Verfassungsrichtern weiter verboten werden. Deshalb ließ das Höchstgericht entsprechende Landesgesetze in Oberösterreich und Steiermark unangetastet.

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