Prozess um bedingte Haft nach Lawinentod

Bedingte Haft für einen Bergsteiger, dessen Frau in einer Lawine ums Leben kam? Um diese Frage dreht sich die Berufungsverhandlung beim Landesgericht, in der Donnerstag dieser Alpinunfall aus dem Jahr 2010 neuerlich verhandelt wird.

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Alpinpolizei

Schneebrett mit Bergrettern im Oberpinzgau

Nach dem Lawinentod seiner 58-jährigen Frau in Salzburg im Jahr 2010 ist im vergangenen Oktober ihr heute 65-jähriger Gatte wegen fahrlässiger Tötung zu drei Monaten bedingter Freiheitsstrafe verurteilt worden. Der Mann hatte damals das Schneebrett ausgelöst.

Alpine Vereine und auch der Bergrettungsdienst sprachen sich nach dem Urteil klar für eigenverantwortliches Handeln beim Bergsteigen aus und kritisierten den Schuldspruch. Die Berufungsverhandlung morgen, Donnerstag (10.15 Uhr, Landesgericht Salzburg), wird in Alpinistenkreisen darum mit hoher Aufmerksamkeit verfolgt.

Bergung der Frau nach knapp zwei Stunden

69 Mal war der Pensionist im Unfallwinter bereits in den Bergen unterwegs, bei seiner 70. Skitour kam es zur Tragödie. Der angeklagte Radstädter war am 17. März 2010 gemeinsam mit seiner Frau zu einer Tour auf die Sichelwand (2.228 Meter) aufgebrochen, einem beliebten Ziel bei Obertauern in Salzburg. Bei der Abfahrt in lichtem Wald löste er ein Schneebrett aus.

Die vor ihm fahrende Frau versuchte sich noch in den dichten Wald zu retten, verschwand aber in einer Staubwolke und wurde vom Schnee begraben. Die Tourengeherin - ihr Lawinenpieps steckte nicht eingeschaltet im Rucksack - konnte erst nach 110 Minuten geborgen werden. Sie lag einen Meter unter Schnee begraben, hatte eine schwere Kopfwunde und den Mund voll Schnee. Für die 58-Jährige kam jede Hilfe zu spät.

Kritik im Gutachten des Sachverständigen

In der Begründung seines Urteils verwies der Richter am 6. Oktober 2011 auf ein Gutachten eines Lawinensachverständigen. Da an jenem Tag erhebliche Lawinengefahr (Stufe 3) geherrscht habe, hätte der 35 Grad steile Hang nicht befahren werden dürfen. Der Mann hätte die Gefährlichkeit des frischen Triebschnees erkennen und eine Auslösung zumindest als wahrscheinlich annehmen müssen.

„Wo bleibt Eigenverantwortung der Frau?“

Andreas Ermacora, der Verteidiger des Mannes im Berufungsverfahren und zugleich Vizepräsident des Alpenvereins, übt aber Kritik an dem Gutachten und fordert einen Freispruch für seinen Mandanten: „Der Eigenverantwortung der verunglückten Frau ist zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden. Außerdem hat der Sachverständige Maßstäbe angelegt, die für einen durchschnittlichen Tourengeher, wie es ihn in Österreich hunderttausendfach gibt, unangemessen streng sind. Dass eine Lawine abgeht, war nicht vorhersehbar.“

Zu diesem Schluss kommt auch ein der APA vorliegendes Privatgutachten: „Die Frage nach der Vorhersehbarkeit der Unglückslawine ist mit einem klaren Nein zu beantworten“, heißt es in dem Papier. Besonderes der Ehemann habe einiges an Sorgfalt walten lassen. Der Mann habe bei der Abfahrt einen weniger stark geneigten Hang gewählt, zudem hielt er großen Abstand zu seiner Frau ein. Außerdem sei das Paar vorbildlich ausgestattet gewesen.

Tot auch bei eingeschaltetem LVS-Gerät

Kritik übt das Privatgutachten allerdings am nicht eingeschalteten Lawinenpieps: „Ein klarer Verstoß gegen die in Bergsteigerkreisen allgemein bekannte Verhaltensregel.“

Das Gutachten kommt allerdings zum Schluss, dass die Frau auch mit eingeschaltetem LVS-Gerät wohl nicht gerettet hätte werden können, weil keine Atemhöhle bestand und auch traumatische Verletzungen zum Tode geführt haben könnten.

„Unberücksichtigt bleibt auch, dass die Erkennbarkeit des frischen Triebschnees an diesem Tag erschwert wurde, weil an der Schneeoberfläche lockerer, ungebundener Pulverschnee lag, der den frischen Triebschnee überdeckte.“

Auch Frau galt als erfahren

Zugleich erkennt das Papier im Gegenzug zum Erstgutachten keinen wesentlichen Kompetenz-Unterschied der beiden Eheleute.

Die Frau galt als geübte Tourengeherin und habe im Unfallwinter bereits 22 Touren absolviert, vier davon auf die Sichelwand. Nur wenige Wochen vor dem Unfall fuhr das Paar gemeinsam mit einem Einsatzleiter der Bergrettung in den gleichen Hang ein. Auch an diesem Tag herrschte Gefahrenstufe 3.