Dalai Lama sieht Indien als Vorbild

Montagnachmittag haben Religionsführer in Salzburg mit dem Dalai Lama über religiöse Vielfalt und Toleranz gesprochen. Zuvor hatte hatte der Buddhist eine politische Autonomie für Tibet sowie eine Ende der Zensur und unabhängige Gerichte für China gefordert.

Interreligiöser Dialog Dalai Lama Erzbischof

ORF

„Interreligiöser Dialog“ am Montagnachmittag in Salzburg zwischen Buddhismus, Katholizismus, Protestantismus, Islam und Judentum

„Dialog“ als Abfolge von Monologen

Eine ordentliche Portion Gelassenheit mussten die Zuhörer des interreligiösen Dialogs mit dem Dalai Lama am Montagnachmittag in der Salzburgarena mitbringen.

Geduldig wartete das Publikum, bis Tenzin Gyatso, wie der tibetische Buddhist eigentlich heißt, mit einer halben Stunde Verspätung Arm in Arm mit Salzburgs Erzbischof Alois Kothgasser und Schlomo Hofmeister, dem Gemeinderabbiner der israelischen Kultusgemeinde Wien, endlich auf die Bühne kam. „Harmonie in der Vielfalt“ lautete das Thema am Montagnachmittag.

Der Dalai Lama bei der Diskussion in der Salzburg Arena

Mike Vogl/www.neumayr.cc

Gyatso: „Indien als Vorbild“

Der eigentlich angekündigte Dialog bestand weitgehend aus aufeinanderfolgenden kürzeren oder längeren Monologen der Vertreter der unterschiedlichen Religionen, in denen von allen der gute Wille zum Zuhören und zum Lernen voneinander betont wurde. Dass das friedliche Zusammenleben von Religionen möglich sei, zeige seine zweite Heimat Indien, sagte der Dalai Lama. Dort seien alle großen Religionen vertreten und kämen gut miteinander aus. Trotz aller Unterschiede hätten die Religionen im Kern ein gemeinsames Ziel: In den Menschen Werte wie Liebe, Mitgefühl und Toleranz zu fördern.

Kothgasser: „Dialog im Sinn des Konzils“

Die multireligiöse Gesellschaft sei eine der großen Herausforderungen unserer Zeit, erklärte der Salzburger Erzbischof Alois Kothgasser, der den Dalai Lama mit „Lieber Bruder Mönch aus dem Tibet“ begrüßte. Das zweite Vatikanische Konzil habe den Dialog zwischen Gott und Mensch, zwischen Kirche und Welt als Grundprinzip verstanden. „Diesen Dialog wollen wir offen und ehrlich führen“, sagte Kothgasser.

Müller: „Bereichernde Unterschiede“

Für Luise Müller, evangelische Superintendentin von Salzburg und Tirol, geht es in dem Dialog um den Abbau falscher Vorstellungen und das Entdecken von Gemeinsamkeiten sowie bereichernden Unterschieden.

Hofmeister: „Gleichheit nicht Gleichmacherei“

Die Vielfalt in der globalen Gesellschaft sei die Grundlage, auf der wir unsere Zukunft aufbauen können, meinte Schlomo Hofmeister. Den Religionen komme dabei eine große Verantwortung zu. „Wir sprechen über Harmonie durch Vielfalt“, sagte er. Die aus einem gleichen Ursprung kommende Gleichheit des Menschen habe nichts mit Gleichmacherei zu tun. Respekt vor dem anderen sei integraler Bestandteil der Religionen.

Sanac: „Kennenlernen am wichtigsten“

Für das Bauen von Brücken und einen gemeinsamen Einsatz für ein friedliches Zusammenleben sprach sich auch Fuat Sanac, Präsident der islamischen Glaubensgemeinschaft, aus: „Interreligiöses Lernen ist eine große Herausforderung.“ Es gehe nicht um diplomatische Zugeständnisse sondern um ein gegenseitiges Kennenlernen.

Zahlendes Publikum am Montagvormittag

Der 76-jährige Dalai Lama hielt Montagvormittag vor rund 2.500 zahlenden Besuchern in der Salzburg Arena einen einstündigen Vortrag über Harmonie und friedliches Miteinander. Tickets kostete jeweils um die 90 Euro - wie bei einem Popkonzert.

In der daran anschließenden Diskussion mit Journalisten wurde der Exiltibeter dann inhaltlich deutlicher: China und Nordkorea könnten sich nicht auf Dauer dem weltweiten Trend zur Demokratisierung entgegenstellen.

Autonomie für Tibet, keine Zensur in China

Der Dalai Lama trat für ein automomes Tibet ein, das im Verbund von China bleibt, aber seine Kultur leben darf: „Diese Autonomie ist ein Mittelweg, bei dem es keine Sieger und keine Verlierer gibt“, sagte der 76-Jährige.

Für China hatte das religiöse Oberhaupt der Tibeter, das seit Jahrzehnten im Exil lebt, zwei konkrete Forderungen: keine Zensur und unabhängige Gerichte. „1,3 Milliarden Chinesen haben das Recht, die Wirklichkeit zu sehen. Sie können dann selbst beurteilen, was richtig und falsch ist“, sagte der Dalai Lama, „Und deshalb ist Zensur unmoralisch.“ Unabhängige Gerichte seien der beste Schutz für die armen Bauern und Arbeiter. Ohne unabhängige Gerichte werden diese Leute immer leiden, befürchtet das religiöse Oberhaupt der Tibeter.

Weiter nach Italien und Belgien

Die Mittagspause verbrachte der Dalai Lama in seinem Hotel in der Salzburger Innenstadt. Nur wenig später ging es wieder zurück in die Salzburg Arena. Dort fand dann der „Dialog der Religionen“ statt: Vertreter des Judentums, des Islams, der evangelischen Kirche und der Salzburger Erzbischof Alois Kothgasser waren mit auf dem Podium.

Mit der Diskussion am Nachmittag endete das offizielle Salzburg-Programm des Dalai Lama. Er bleibt noch über Nacht und fliegt Dienstag mit einer Privatmaschine nach Italien und Belgien weiter. Ende der Woche kommt der Dalai Lama zurück nach Österreich und bleibt zwei Tage in Wien.

Ausführlich im ORF

Der ORF berichtet ausführlich über den Besuch. Ein Interview mit dem Dalai Lama gibt es zum Beispiel Montagabend in der „ZIB 2“ um 22.00 Uhr in ORF 2, auch „Kreuz&Quer“ widmet sich dem Thema - am Dienstag ab 22.30 Uhr in ORF2.

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