„Berliner“ nehmen Abschied

Mit der letzten Carmen-Vorstellung geht am Ostermontag eine Ära für die Osterfestspiele zu Ende, die von Herbert von Karajan begründet wurde. Das Orchester der Berliner Philharmoniker verabschiedet sich nun nach Baden-Baden.

Das Orchester hatte sich im Mai 2011 sehr überraschend entschlossen, ab Ostern 2013 in Baden-Baden zu musizieren. Zu Ostern wollte Herbert von Karajan mit den Berliner Philharmonikern, deren Chefdirigent er war, Oper spielen, in Salzburg und nur hier. Mit Wagners „Ring des Nibelungen“ hat Karajan 1967 begonnen, allerdings nicht mit „Rheingold“, dem ersten Teil, sondern mit der „Walküre“, die er für attraktiver hielt. Über die Begeisterung des Publikums ist Karajan damals ins Schwärmen geraten.

„Dankbarkeit des Publikums war beglückend“

„Es ist eine musikalische Familie, die wirklich aus reiner, echter Begeisterung gekommen ist. Es gab Momente mit einer derartigen Stille und Konzentration, dass man fast schon Angst hatte. Selbst in einem leeren Haus würde man das kaum erleben, geschweige denn in einem vollen. Die Dankbarkeit des Publikums war für uns alle ein besonders beglückendes Erlebnis“, sagte Herbert von Karajan damals.

Besucher der Osterfestspiele vor dem Großen Festspielhaus

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Zahlungskräftig, aber eher konservativ: Besucher der Osterfestspiele vor dem Großen Festspielhaus.

Wagner, Verdi, Puccini, Mozart, Beethoven, Bizet

Nicht nur Wagner, auch Puccini und Verdi, Mozart und Beethoven und Bizets „Carmen“ standen in den Folgejahren auf dem Programm. Das Festival blieb höchst exklusiv, finanziert ohne Steuergeld und stets ausverkauft. Was es aus heutiger Sicht für die Berliner Philharmoniker einmalig machte, dass sie hier Oper spielen konnten, sagt der Medienvorstand des Orchesters, Standley Dodds. „Für ein Konzert-Orchester ist die Gelegenheit, Oper zu spielen, immer spannend. Ich freue mich immer ganz besonders auf dieses Repertoire, das wir ja normaler Weise - mit Ausnahme einiger Ouvertüren oder Zwischen-Musiken - nicht in die Hand bekommen.“

"Carmen"-Aufführung bei den Osterfest

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Szene aus der heurigen Inszenierung von George Bizets „Carmen“.

Karajan dirigierte um einen symbolischen Schilling

Die Nachfolger - ab 1994 Claudio Abbado, ab 2003 Sir Simon Rattle - weiteten das Angebot aus - um die Kammerkonzertreihe „Kontrapunkte“ zu wesentlich günstigeren Preisen, um die Jugendarbeit und in manchen Jahren auch um Jazzkonzerte. Doch die günstigen Konditionen aus der Zeit der Festspielgründung - Karajan hatte damals um einen symbolischen Schilling dirigiert und Geld durch Schallplatten und CDs verdient, zu Zeiten der Isolation Berlins hat auch der Senat den Auftritt des Orchesters unterstützt - diese guten Konditionen gab es nicht mehr und die Osterfestspiele suchten nach Koproduktionspartnern und neuen Geldquellen.

„Berliner“ spielten nicht mehr exklusiv für Salzburg

Erster „Sündenfall“ in diesem Prozess: Die Berliner Philharmoniker spielten Oper nicht mehr exklusiv in Salzburg , der „Ring des Nibelungen“ wird nicht nur mit Aix en Provence koproduziert, die Premieren der vier Opern finden in Südfrankreich statt. In den Jahren davor hatte Sir Simon Rattle Werke wie „Peter Grimes“ von Benjamin Britten und Debussys „Peleas et Melisande“ angesetzt und damit nicht den Geschmack des Publikums getroffen.

Krise begann sich abzuzeichnen

Die Krise begann sich abzuzeichnen, Geld von Stadt und Land Salzburg sollte das Festival in Salzburg halten, die zehn Tage sind für den Tourismus äußerst lukrativ. Viele Bemühungen und einen Osterfestspielskandal später weiß man: Baden-Baden hat das Rennen gemacht. „Die Tatsache, dass wir in Baden-Baden die Oper mehr als zwei Mal spielen können, bringt - glaube ich - einen künstlerischen Gewinn. Im Jahr 2013 spielen wir die ‚Zauberflöte‘ vier Mal in Baden-Baden. Damit hoffen wir auch, dass dieser Schwerpunkt ‚Opernfestival‘, die die Osterfestspiele für uns ja immer waren, dadurch mehr Gewicht bekommt“, sagt dazu Stanley Dodds.

In Baden-Baden winkt mehr Geld

Es winkt aber auch mehr Geld in Baden-Baden - nicht pro Abend, sondern weil es mehr Auftritte gibt. Dennoch sei die Stimmung im Orchester wehmütig, bekennt Stanley Dodds. „Es ist klar, dass man als Spitzenorchester eine ganz große Verbindung zu Salzburg empfindet. Aber ebenso war es allen im Orchester ganz klar, dass die Entscheidung in Richtung Baden-Baden gehen muss. Ein kleiner Trost: Die zwei Konzert bei den Festspielen im Sommer wird es weiterhin geben. Denn ein Leben ganz ohne Salzburg kann ich mir gar nicht vorstellen.“

Sächsische Staatskapelle mit Thielemann kommt

Heuer sollen die Osterfestspiel-Besucher nach einer ersten Bilanz sechs Millionen Euro in der Stadt Salzburg ausgegeben haben. Bei den Osterfestspielen 2013 werden die „Berliner“ durch eines der führenden Orchester der Welt ersetzt - die Sächsische Staatskapelle Dresden unter ihrem Chefdirigenten Christian Thielemann. Eine der wesentlichen Fragen dabei wird sein, ob die Osterfestspiele den Spagat zwischen Tradition und notwendiger Erneuerung schaffen, ohne Publikum und Förderer zu vergraulen. Denn letztere gelten als besonders zahlungskräftig, aber auch als besonders konservativ.

„Preise für 2013 werden um 6,5 Prozent gesenkt“

Für 2013 kündigen die Verantwortlichen der Osterfestspiele jedenfalls eine Preissenkung bei den Karten von durchschnittlich 6,5 Prozent an. Man wolle damit dem Eindruck eines elitären Festivals entgegentreten, sagt der Geschäftsführer der Osterfestspiele, Bernd Gaubinger. Künstlerisch und musikalisch will es der Neue, Christian Thielemann allerdings nicht billiger geben. Der Dresdener Staatskapellmeister kennt als ehemaliger Karajan-Assistent das Salzburger Pflaster. Er wisse, was hier von ihm erwartet werden, betont Thielemann. „Es muss einfach gut aussehen und auf diese tolle Bühne passen.“

Christian Thielemann

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2013 löst Christian Thielemann mit der Sächsischen Staatskapelle die „Berliner“ ab.

Top-Besetzungen wichtiger als neues Repertoire

Handwerkliche Spitzenqualität, und Top Besetzungen sind wichtiger als Repertoire-Neuerungen, lautet die Botschaft an Stammpublikum und Förderer. Aber auch die Bemühungen der vergangenen Jahre um die Jugend und um neue Zielgruppen werden intensiviert: Die Jugendprojekte rund um Neuinszenierungen werden künftig ausgeweitet - das Traditionsfestival will sich so seinen eigenen Nachwuchs sichern.