Stratos-Sprung: Baumgartner trainiert

Der Salzburger Felix Baumgartner ist wieder einmal bereit für den freien Fall mit Überschallgeschwindigkeit vom Rand des Weltraumes. Mit Raumfahrt-Experten nimmt der Extremsportler die Mission „Red Bull Stratos“ wieder in Angriff und trainiert in den USA.

Felix Baumgartner

APA / CHRISTIAN PONDELLA

Baumgartner bei Tests in Amerika mit seinem neuen Raumanzug, dem modernsten unserer Zeit.

Mit seinem Stratosphären-Sprung aus mehr als 36.000 Metern Höhe will der Salzburger als erster Mensch im freien Fall die Schallmauer durchbrechen. Dabei geht es auch um eine gute Aerodynamik. Denn normalerweise bereitet Luftwiderstand gegen solche Geschwindigkeiten eine Barriere, wenn es keinen Fremdantrieb in Form von Propellern, Turbinen oder Raketentriebwerken gibt.

Ernst Mach Physiker

Charles Scolik (1854 - 1928)

Ernst Mach (1838 - 1916) beschrieb die Zustände von Schallwellen, Gasen, Flüssigkeiten und Projektilen von Schusswaffen bei hohen Geschwindigkeiten weltweit als Erster und legte eine Basis für die viel später entwickelte Luftfahrt von Jets und für die Raumfahrt. Der österreichisch-böhmische Physiker und Philosoph engagierte sich in Wien für die damals noch junge Sozialdemokratie. Seine Berechnungen und sein Name gingen international in Kennzahlen der modernen Physik und Strömungslehre ein: Mach 1 ist in mehr als 30 Kilometern Seehöhe eine Geschwindigkeit von 340,29 Metern pro Sekunde - mehr als 1.100 km/h. Schallgeschwindigkeit hängt von Luftdruck bzw. der Luftdichte ab. Auf Meereshöhe wäre Mach 1 höher: 1.235 km/h. Wegen des Reibungswiderstandes der Luft kann man im freien Fall bei relativ geringen Seehöhen jedoch keine Schallgeschwindigkeit erreichen.

Physikalisches Reich von Ernst Mach

Die extrem dünne Luft in 36 Kilometern Höhe begünstigt die Beschleunigung Baumgartners durch die Erdanziehungskraft auf Überschall.

Schon 35 Sekunden nach dem Absprung aus seinem Spezialballon soll der Salzburger über dem US-Bundesstaat New Mexico den Speed von Mach 1 erreichen, das sind ca. 1.100 km/h.

Bis minus 70 Grad

In einem Faktor hat Baumgartner die Natur an seiner Seite. Je höher man sich in die Stratosphäre (der zweiten Schicht der Erdatmosphäre) begibt, desto höher werden die Temperaturen.

Bei seinem Absprung werden „milde“ minus 23 Grad herrschen, bei seinem Eintritt in die Troposphäre (die erste Schicht der Erdatmosphäre) wird er Temperaturen von minus 70 Grad aushalten müssen. Deshalb wird der Salzburger einen Spezialanzug tragen, der bereits seit 36 Monaten getestet wird.

Anzug gegen kochendes Blut

Baumgartners Anzug soll ihn auch vor dem extremen Druck bewahren. Ohne den Anzug würden sich die Gase in seinem Blut ab 18,9 Kilometern Höhe gefährlich ausdehnen.

Vereinfacht könnte man auch sagen: Das Blut würde kochen. Nach seinem Absprung aus fast 37 Kilometern Höhe und dem Erreichen der Schallgeschwindigkeit, wird Baumgartner mit 17,5 Kilometern pro Minute zur Erde rasen.

Die Gesamtzeit im freien Fall wird voraussichtlich 5 Minuten 30 betragen. Damit wäre der Rekord von Joe Kittinger um beinahe eine Minute verbessert.

Felix Baumgartner

APA / CHRISTIAN PONDELLA

Baumgartner nach einer Trainingseinheit in der Unterdruckkammer, mit der auch Bedingungen wie am Rand des Weltraums simuliert werden können. Das gesamte Projekt finanziert der Salzburger Getränke-Hersteller Dietrich Mateschitz.

„Es geht darum, Pionierarbeit zu leisten. Vielleicht tragen Raumfahrer in wenigen Jahren schon ausgereifte Anzüge und denken dabei an Felix Baumgartner und das Red-Bull-Stratos-Team, die ihnen das ermöglicht haben. Wir werden der Nachwelt mit Sicherheit etwas Wertvolles hinterlassen“, sagt der Abenteurer.

Waghalsiges aus fast „luftleerem“ Raum

Die Vorbereitungen für „Red Bull Stratos“ sind nach einer Unterbrechung wieder voll im Gange. Mit einem Team aus Wissenschaftlern aus Raumfahrt und Medizin feilt Baumgartner an seinem Sprung aus der Stratosphäre.

In der Brooks-City-Base in Texas wurden die Bodentests in der Druckkammer bereits erfolgreich absolviert. Dabei wurden die Bedingungen in über 36.000 Metern Höhe simuliert und die Funktionalität des Druckanzuges überprüft. Mit einer Serie von Übungen trainierte Baumgartner außerdem wichtige Abläufe des Fluges - wie etwa das Handling von Ballon und Kapsel sowie das Lösen der Rettungsleine kurz vor dem Absprung.

Joe Kittinger

U.S. Air Force / Dave Nolan

Kittinger unterstützt Baumgartners Projekt mit Rat und Tat. Auch das hat der Zivil- und Militärpilot sowie Raumfahrtexperte erlebt: Bei einer Mission im Vietnamkrieg mit einem F-4D Phantom II Kampfjet wurde er mit Waffenoffizier William J. Reich am 11. Mai 1972 vom Piloten einer MIG-21 abgeschossen und geriet in nordvietnamesische Kriegsgefangenschaft im berüchtigten Lager „Hanoi Hilton“.

Am 28. März 1973 wurde Kittinger freigelassen und arbeitete später wieder für die U. S. Air Force bis zu seiner Pensionierung.

Dünn besiedeltes New Mexico

Als Ausgangspunkt für Red Bull Stratos wurde der Ort Roswell in New Mexico bestimmt. Dafür gibt es gleich mehrere Gründe: Die Wettersituation ist dort optimal, die nötige Infrastruktur vorhanden und die Bevölkerungsdichte gering.

Davon abgesehen kehrt Felix Baumgartner gleichsam an jenen Ort zurück, an dem Colonel Joe Kittinger vor 52 Jahren zu seiner historischen Mission „Excelsior“ gestartet ist. 1960 schrieb der Amerikaner mit seinem Sprung aus 31.000 Metern Höhe Geschichte.

Auf Spuren von Joe Kittinger

Mit Hilfe von Kittingers Erfahrung und einer führenden Riege an Experten soll es Baumgartner gelingen gleich vier Rekorde zu brechen: den höchsten bemannten Ballonflug (35.576 Meter), den höchsten freien Fall, Überschallgeschwindigkeit im freien Fall und den am längsten dauernden freien Fall (geschätzte Dauer etwa 5.30 Minuten).

Zusätzlich verspricht sich das Team völlig neuartige Erkenntnisse im Bereich Raumfahrt und Medizin. Die gewonnenen wissenschaftlichen Daten sollen dazu beitragen, den Aufenthalt im Weltraum durch neue technische Errungenschaften in Zukunft „sicherer“ zu machen.

Feature:
APA & salzburg.ORF.at; Gerald Lehner

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