Noch immer Missstände bei Mindestsicherung

Arme, die Mindestsicherung beziehen und schlecht bezahlte Jobs haben, fühlen sich vom Sozialsystem benachteiligt. Viele verlieren durch Urlaubs- und Weihnachtsgeld über Monate ihre Mindestsicherung. Die Politik hat die Zustände bisher nicht beseitigt.

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„Besonders Kinder brauchen unsere Unterstützung und unseren verlässlichen Halt ...“, heißt es in einem politischen Werbe-Video.

Sie wurde als „sozialpolitischer Fortschritt“ gelobt, die vor knapp eineinhalb Jahren eingeführte Mindestsicherung für Arme und Bedürftige. Dazu gehören neben anderen viele Alleinerzieherinnen. Die Mindestsicherung soll nun als Ersatz für die frühere Sozialhilfe dienen. In einigen Teilen sei die Neuerung wohl auch ein Fortschritt, sagen Experten.

Doch viele Betroffene erleben sie anders. Zum Beispiel, wenn sie - für wenig Lohn - dennoch arbeiten gehen oder eine kleine Pension beziehen. Dann bekommen sie zeitweise vom Sozialamt überhaupt nichts mehr bezahlt. Eine Reparatur mancher Ungerechtigkeiten wurde von der Politik schon vor einem Jahr versprochen. Bisher scheitert das, weil es offenbar an Geld fehlt.

Erika Scharer SPÖ

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Die frühere Soziallandesrätin Erika Scharer (SPÖ) im Partei-Video. Sie versprach eine Reform der Mindestsicherung, die bis heute nicht Realität ist.

Werbefilm der Sozialdemokraten

„Fester Halt“ für Kinder wurde von der SPÖ in dem Video versprochen. Aber manchmal hält sie noch immer nicht, die Mindestsicherung.

Die Kehrseiten des Systems spürt zum Beispiel eine Salzburger Alleinerzieherin. Sie arbeitet 30 Stunden in der Woche und hat uns Auskunft gegeben - anonym, aus Rücksicht auf ihren halbwüchsigen Sohn: „Ich falle aus dem Bezug der Mindestsicherung heraus, weil ich über meine Arbeit ein Urlaubs- und das Weihnachtsgeld habe. Auch die Sonderzahlung für das Kind kriege ich bei der Auszahlung dieser Beträge nicht, weil ich einen laufenden Bezug der Mindestsicherung über drei Monate haben müsste.“

Beispiel einer Alleinerzieherin

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In Teilzeit arbeitende Mutter sagt, das neue System der Mindestsicherung sei ungerecht.

Dumm, wer arbeiten geht?

Urlaubs- und Weihnachtsgeld in Teilzeit-Jobs sind für Alleinerzieher keine hohen Beträge. Unsere Gesprächspartnerin sieht sich als Verliererin - auch durch ihre Bereitschaft arbeiten zu gehen: „In diesen Monaten mit Urlaubs- und Weihnachtsgeld kriege ich gar keine Mindestsicherung. Eigentlich hätte ich mehr Vorteile, wenn ich nicht arbeiten würde. Denn dann wäre ich versichert, hätte laufend meinen Bezug der Mindestsicherung und würde nie rausfallen.Ich will aber auf jeden Fall arbeiten.“

Scharer versprach Änderung

Das Problem ist bei Sozialämtern in Stadt und Land Salzburg bekannt. In der Stadtverwaltung von Salzburg nimmt man an, dass etwa die Hälfte aller 4.500 Bezieher und Bezieherinnen davon betroffen ist.

Vor fast genau einem Jahr hatte die damalige Soziallandesrätin Erika Scharer (SPÖ) rasche Abhilfe versprochen: „Jetzt müssen wir dringend dieses Gesetz novellieren.“

Schmidjell kämpft weiter mit Problem

Scharers Nachfolgerin Cornelia Schmidjell (SPÖ) kann aber noch immer keinen Erfolg mitteilen: „Jetzt muss einmal der Vollzug des Budgets abgewartet werden, um dann Klarheit zu haben, wie der Budgetvollzug 2011 ausschaut. Für mich ist es eine wichtige Forderung und eine wichtige Zielsetzung. Aber das Land ist ja nicht der einzige Financier der Mindestsicherung. Es sind ja Städte- und Gemeindebund und das Land jeweils zur Hälfte die Geldgeber. Daher werden wieder die Gespräche zu führen sein - vor allem mit Städte- und Gemeindebund.“

Dieses Jahr werde sich an der in die Kritik geratenen Praxis der Mindestsicherung noch nichts ändern, nimmt man beim Land an.