Fußballturnier erinnert an jüdischen Sportclub in Hallein

Überlebende des Holocaust und jüdische Flüchtlinge aus Konzentrationslagern der Nazis haben nach 1945 in Hallein einen eigenen Sportverein gegründet. Am Sonntag erinnerte ein Nachwuchs-Fußballturnier an diesen SC Hakoah Hallein.

SC Hakoah Hallein jüdischer Fußballverein in Hallein

Archiv Walter Reschreiter

Frauen mit Kind im Halleiner Flüchlingslager

Walter Reschreiter ist Veranstalter dieses neuen Fußballturniers für Kinder und Jugendliche in Hallein, das an Schicksale von verfolgten Menschen erinnert. Der Halleiner SPÖ-Stadtparteichef betont den strikt überparteilichen Charakter seiner ehrenamtlichen Bemühungen bei diesem Thema.

1.200 Opfer des NS-Regimes

„Dieser Teil unserer Tennengauer Geschichte ist bisher kaum dokumentiert. Überlebende der Konzentrationslager und jüdische Flüchtlinge waren damals auch in Hallein untergebracht, weil viele versuchten, über Westösterreich und italienische Hafenstädte in die USA, Kanada oder nach Israel auszuwandern“, schildert Reschreiter.

Dass es den jüdischen Sportclub SC Hakoah Hallein gegeben hat, das ist - außer bei ein paar Fußball-Experten - heute weitgehend unbekannt. Und dass es in Hallein noch in den 1950er-Jahren ein jüdisches Flüchltingslager für ca. 1.200 Opfer des Nationalsozialismus gegeben hat, das ist ebenso heute fast vergessen.

SC Hakoah Hallein jüdischer Fußballverein in Hallein

Archiv Walter Reschreiter

Klassenbild der Halleiner Lagerschule

Turnier: Marco Feingold hielt Eröffnungsrede

Das will Walter Reschreiter nun ändern. Das neue Fußballturnier war ein erster Schritt dazu. Es begann Sonntagvormittag auf dem Fußballplatz im Halleiner Stadtteil Gamp - mit den U9 und U11 Mannschaften der Vereine Maccabi München, FC Hallein 04 und Union Hallein.

Die Eröffnungs- und Festrede hielt Marco Feingold, der 98-jährige Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde in Salzburg. Er hat selbst mehrere Konzentrations- und Todeslager der Nazis knapp überlebt.

SC Hakoah Hallein jüdischer Fußballverein in Hallein

Archiv Steve Wernick

Spurensuche in Archiven und über Post der Bewohner

Fußball-Verwarnungen als Spuren

Der SC Hakoah Hallein war der einzige jüdische Fußballverein der Salzburger Geschichte. Über die Spieler konnte Walter Reschreiter bisher nur wenig herausfinden: „Beim Salzburger Fußballverband ist allerdings dokumentiert, wer eine gelbe Karte und andere Verwarnungen bekommen hat. Aufgrund dieser Aufzeichnungen wissen wir einige Namen, aber keine andere Dinge wie Geburtsdaten und Herkunft etc. Von einer Person wissen wir, dass sie nach Australien ausgewandert ist. Vom ehemaligen Trainer Heinrich Schönfeld wissen wir mehr, weil er in den 1920er- und 1930er-Jahren eine Berühmtheit war. Schönfeld war sogar Torschützenkönig in Italien.“

Einige Spielernamen, die recherchiert werden konnten: Georg Gottsmann, geb. 10. Mai 1922 in Budapest. Nikolaj Budaj, geb. 10. Oktober 1913 in Rachov, CSR. Josef Elias, geb. 23. Oktober 1912 in Cluj, Rumänien. Ernst Wittmann, geb. 21. Juni 1921, Oradea Mare, Rumänien. Adalbert Gertner, geb. 12. Juni 1924, Szighet, Ungarn. Tibor Glück, geb. 10. Juni 1925, Budapest. Georg Lásár, Karoly Braun, Sandor Klein, Lajos Lippai, Wilhelm Syöri, Johann Bekesi, Robert Klein.

SC Hakoah Hallein jüdischer Fußballverein in Hallein

Archiv Steve Wernick

Ausweis eines Halleiner Bewohners

Der Rest ist ein vergessenes Kapitel der Halleiner Stadtgeschichte. Über das „Judenlager“ - wie die Einheimischen sagen - gibt es keine Aufzeichnungen, keine Dokumente. Und nur noch wenige erinnern sich, wie zum Beispiel die betagte Dame Hermine Costa. Die heute 85-jährige Halleinerin war eine junge Gemeindeangestellte, als in den 1950er-Jahren mehr als 1.200 Jüdinnen und Juden - Erwachsene, Jugendliche und Kinder - in Hallein in Baracken gewohnt haben.

SC Hakoah Hallein jüdischer Fußballverein in Hallein

Archiv Steve Wernick

Karteikarte eines staatenlosen Flüchtlings, der aus Italien stammte und nach Australien auswandern wollte.

Viele Familien fast ausgelöscht

Die Salzburger Historikerin Susanne Rolinek schreibt dazu in ihrem Buch „Jüdische Lebenswelten von 1945-1955“:

"Das Ende des Dritten Reiches und die Kapitulation der Deutschen Wehrmacht am 8. Mai 1945 bedeuteten für die Juden Europas zwar das Ende von systematischer Verfolgung und Ermordung, doch konnten viele Überlebende in ihren Heimatländern keine neue Existenz mehr aufbauen. Ihre Verwandten und Freunde waren ermordet, die jüdischen Gemeinden ausgelöscht, die ehemaligen Besitztümer zerstört oder von „arischen" Personen übernommen. Angesichts unerträglicher Lebensbedingungen, antisemitischer Übergriffe und fehlender Zukunftsperspektiven machten sich Zehntausende Juden auf die Flucht von Polen, Ungarn, Rumänien, der Tschechoslowakei und der Sowjetunion in die von der US-Army befreiten Zonen, wo sie sich Schutz erhofften. Österreich kam auf Grund der geographischen Lage eine wichtige Rolle zu.“

Den Gaskammern entkommen

Die meisten Flüchtlinge („Displaced Persons“) in Hallein stammten aus Ungarn, waren den Deportationen nach Auschwitz nur knapp entkommen oder hatten andere Lager der Nationalsozialisten überlebt. Die US Army, die Befreiungsarmee Österreichs, versorgte die anfangs zum Teil extrem abgemagerten Flüchtlinge.

Hermine Costa betont, ihre Erinnerungen an das Lager seien schon sehr schwach: „Wir Halleiner haben nach dem Krieg sehr wenig zu essen gehabt, und im Lager haben wir immer wieder auch Lebensmittel bekommen - zum Beispiel Zucker und Kondensmilch. Ich habe mir damals dort auch einen Mantel gekauft.“

Zeitzeugen dringend gesucht

Dieses vergessene Kapitel, die Geschichte des Judenlagers in Hallein, will Walter Reschreiter nun weiter aufarbeiten und dokumentieren. Er sucht dringend Zeitzeugen:

„Es gibt wenige Glücksmomente bei dieser Arbeit. Ich habe über Facebook den Enkel eines Bewohners kennengelernt, sein Großvater war bei uns in Hallein der Lagerfotograf: Steve Wernick hat uns eine Box mit 55 Fotos aus dieser Zeit zur Verfügung gestellt. Den Lagerpass seines Vaters haben wir auch bekommen.“

Kontakt

Den Kontakt zu Walter Reschreiter bekommen Sie über unser ORF-Publikumsservice; Gratis-Telefon: 0800 22 69 60; oder www.facebook.com/walter.reschreiter

Links

Reiseführer „Im Schatten der Mozartkugel“; Kapitel über „Displaced Persons“ (DP`s) und jüdische Flüchtlinge in Salzburg: