Kampf gegen zu viel Medikamente

Ein Projekt, für das die Medikation von 611 Seniorenheim-Bewohnern in Salzburg untersucht wurde, soll künftig gefährliche Polymedikation bei älteren Menschen verhindern. Die Einnahme unnötiger Medikamente soll vermieden werden.

Die österreichische Bevölkerung wird immer älter. 2016 lag der Anteil der 60- bis 80-Jährigen bei 32,5 Prozent. Umso wichtiger ist die medizinische Betreuung der älteren Generation. Drei Viertel der Alters- und Pflegeheimbewohner nehmen täglich mehr als fünf Wirkstoffe ein - diese Polymedikation werde zunehmend zum Problem, warnten Expertinnen und präsentierten ein Projekt, das Abhilfe verspricht.

Durch die Kombination von verschiedenen Medikamenten kann es nämlich zu gefährlichen Neben- und Wechselwirkungen kommen. Gerade Pflegeheimbewohner sind aufgrund ihrer gesundheitlichen und altersbedingten Einschränkungen besonders empfindlich für unerwünschte sogenannte Arzneimittel-Ereignisse wie Schwindel, Verwirrtheit oder Stürze.

Medikationen von Senioren genau untersucht

Oft gehe es den Betroffenen so schlecht, dass sie eine ärztliche Behandlung oder die Einweisung ins Krankenhaus benötigen. Das wäre vermeidbar, erklärten am Donnerstag die Projektleiterinnen von „Gemed“ (Multiprofessionelles Geriatrisches Medikamentationsmanagement), Diemut Strasser und Elisabeth Kretschmer.

Medikamente, Pillen im Schrank - Aufbewahrung von Medikamenten

ORF

Von Oktober 2016 bis Dezember 2017 wurden in Seniorenheimen in Salzburg 611 Bewohner und ihre Medikationen genauer unter die Lupe genommen. Das Durchschnittsalter betrug knapp 84 Jahre. Ein Drittel waren Männer, zwei Drittel Frauen. Pflegekräfte, Apotheker und Hausärzte wurden ins Projekt miteingebunden.

121 Mal unerwünschte Wirkungen

Somit wurden die Bewohner durch die Experten einer regelmäßigen monatlichen Analyse ihres Medikamentenkonsums unterzogen. 377 der 611 Bewohner konnten über den gesamten Beobachtungszeitraum betreut werden.

Bei knapp 35 Prozent der Heimbewohner gaben die Apotheker insgesamt 502 Empfehlungen zur Überprüfung der Medikation ab. In 121 Fällen war eine unerwünschte Neben- oder Wechselwirkung der Grund - Kognitionsstörungen, Erbrechen, Durchfall, Blutdruckabfall, Elektrolytstörungen sowie Einschränkung der Nieren- und Leberfunktion.

„43 Prozent der Medikamente verzichtbar“

Meist wurde empfohlen, bestimmte Medikamente abzusetzen (43 Prozent) bzw. die Dosis anzupassen (23 Prozent). Zu 64 Prozent nahmen die Ärzte die Empfehlungen durch Apotheker und Pflegepersonal an. 85 Prozent der Mediziner beurteilten diese Empfehlungen als sehr hilfreich bzw. hilfreich.

Medikamente

ORF

Wer zu viele Medikamente einnimmt, riskiert unerwünschte Nebenwirkungen

„Das Ergebnis ist alarmierend“, meinte Ingrid Korosec, Präsidentin des Österreichischen Seniorenbundes, „wenn man bedenkt, dass man 43 Prozent der Medikamente streichen könnte“. Hier seien Heimbewohner untersucht worden, doch die größere Gefahr sei der Medikamentenkonsum von Menschen, die zu Hause leben. Immerhin werden 45 Prozent der älteren Menschen von Angehörigen gepflegt.

Folgeprojekt in Salzburger Heimen geplant

Deshalb würden sich 70 Prozent der Apotheker, 93 Prozent der Pflegefachkräfte und 60 Prozent der Ärzte eine Weiterführung des Projekts wünschen, sagte Projektleiterin Kretschmer. Für ein weiteres Jahr sei nun ein Folgeprojekt in den Salzburger Heimen geplant, erklärte ihre Kollegin.

Doch für eine Ausweitung in andere Gebiete braucht es die Sicherstellung des Honorars für diese Dienstleistung, sagte Strasser. „Es gibt Interesse aus anderen Bundesländern“, berichtete Ulrike Mursch-Edlmayr, Präsidentin der Österreichischen Apothekerkammer, die das Projekt mitfinanziert hat. Das werde nun evaluiert. „Arzneimittel können sehr viel Gutes tun, aber auch viel Schaden anrichten“, betonte Projektleiterin Strasser.

Links: