Göring in Mauterndorf: Beweist Dokument die Ehrenbürgerschaft?

Die Gemeinde Mauterndorf (Lungau) will dem NS-Verbrecher Hermann Göring weiter die Ehrenbürgerschaft nicht aberkennen. Neueste Begründung: Hitlers Vize sei nie Ehrenbürger gewesen. Ein neues Dokument wirft Fragen auf.

Für die Jahre zwischen 1938 und 1945 gab es – offiziell - keine Gemeindeprotokolle aus Mauterndorf - bis vor zwei Wochen. Da erhielt der Historiker Hanno Bayr eine anonyme E-Mail mit einem Protokoll zu einer konstituierenden Gemeindevertretungssitzung im Jahr 1938, nachdem Österreich beim „Anschluss“ von den Nazis ausgelöscht worden war.

Hermann Göring Kriegsverbrecher Gewaltherrscher Nationalsozialist

Salzburger Stadtarchiv / Franz Krieger

Hitlers Stellvertreter und Wahl-Lungauer Göring beim Spatenstich für die Tauernkraftwerke in Kaprun mit vielen seiner Pinzgauer Fans

Dokument von 1938 aufgetaucht

In diesem Protokoll ist von der Ernennung Hermann Görings zum Ehrenbürger von Mauterndorf die Rede, schildert Historiker Hanno Bayr: „Es kann eigentlich nur eine Versammlung der Ortsgruppe der NSDAP sein. Die sind aus der Illegalität gekommen und könnten sich bei einem revolutionären Akt als Gemeindevertretung konstituiert haben. Wie das vor sich gegangen ist, das wissen wir nicht. Und in dieser Sitzung ernennen sie den Göring zum Ehrenbürger von Mauterndorf.“

Appell an die Bevölkerung

Bayr vermutet, dass Privatpersonen noch weitere Gemeindesitzungsprotokolle aus dem „Tausendjährigen“ bzw. „Dritten Reich“ besitzen könnten. Er appelliert an die Bevölkerung, diese herauszugeben.

Bisher hatte sich die Gemeinde immer mit dem Argument gewehrt, die Ehrenbürgerschaft sei mit dem Tod Görings ohnehin erloschen. Der wurde 1946 schuldig gesprochen - wegen verschiedener Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und der Vorbereitung eines Angriffskrieges. Göring kam der Hinrichtung durch Selbstmord zuvor. Es gibt in Mauterndorf auch den Standpunkt, dass laut Kriegsverbrechergesetz bei rechtskräftigen Verurteilungen zu Lebzeiten - wie bei Göring - ohnehin alle Ehrenbürgerschaften erloschen wären.

Immerhin soll nun in der neuen und geplanten Gemeindechronik eine Ehrenbürgerschaft Görings nicht mehr - wie bisher - erwähnt werden. Das hat Bürgermeister Wolfgang Eder (ÖVP) bei einer Veranstaltung am Freitagabend angekündigt. Rund 400 Interessierte verfolgten die Präsentation der neuesten Forschungsergebnisse am Freitagabend.

Spender der Wasserleitung

Hitlers Stellvertreter, Oberbefehlshaber der „Deutschen Luftwaffe“ und „Reichsjägermeister“ Hermann Göring war Schlossherr in Mauterndorf und hatte im Lungau besonders viele Fans. Er soll der Gemeinde auch die Wasserleitung spendiert haben. Die Salzburger Historikerin Susanne Rolinek schrieb dazu ein Kapitel im zeithistorischen Reiseführer „Im Schatten der Mozartkugel“ - erschienen im Czernin-Verlag.

Laut bisheriger Chronik war er Ehrenbürger

Bürgermeister Eder zeigte sich überrascht von der Entwicklung, dass nun ein neues Dokument der konstituierenden NSDAP-Gemeindevertretungssitzung von 1938 aufgetaucht ist: „Ich glaube, dass wir richtig liegen. In der neuen Ortschronik wird Hermann Göring nicht mehr als Ehrenbürger aufscheinen. Wir sind auch richtig gelegen, dass er nie rechtmäßiger und legitimer Ehrenbürger der Marktgemeinde Mauterndorf war.“

Bleibt für viele Interessierte noch immer die Frage, warum die Ehrenbürgerschaft bisher in der Mauterndorfer Chronik von 1967 überhaupt erwähnt wurde - wenn es diese Ehrung des NS-Verbrechers gar nicht gegeben haben soll.

Forschung noch immer in den Kinderschuhen?

Der Lungauer Regionalhistoriker Klaus Heitzmann sagt, allein schon durch Görings Verurteilung zum Tod als Kriegsverbrecher sei dessen Ehrenbürgerschaft erloschen.

Andere Historiker und Vertreter anderer Wissenschaftsdisziplinen widersprechen solchen Thesen. Und für viele bestätigt sich durch die Debatten in Mauterndorf neuerlich, dass auf den Ebenen vieler Gemeinden, Bezirke und Regionen die Erforschung des Nationalsozialismus noch immer in den Kinderschuhen stecke - nach mehr als 70 Jahren des Verdrängens und Verschweigens.

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Heißes Pflaster Zeitgeschichte

ORF-Redakteur Gerhard Jäger hat die öffentliche Diskussion auf Burg Mauterndorf mitverfolgt.

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